Entscheidungsstichwort (Thema)

Verspäteter Beweisantrag im zweiten Rechtszug

 

Normenkette

ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 05.02.2009; Aktenzeichen 17 O 293/08)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Es wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen gegeben.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch aus einem Verkehrsunfall vom 15.6.2008 gegen 15.55 Uhr an der Einmündung des Bernatzkyweges in den Seigenauer Weg (30-km/h-Zone); die Kollision zwischen dem im Eigentum des Klägers stehenden, von ihm gehaltenen und von ihm geführten Pkw Audi A 4 und dem vom Erstbeklagten gehaltenen, vom Zweitbeklagten geführten sowie bei der Drittbeklagten gegen Haftpflicht versicherten Pkw Toyota Corolla ereignete sich beim Einbiegen des wartepflichtigen Klägers nach rechts in den beidseitig beparkten Seigenauer Weg; beide Fahrzeuge wurden durch die Kollision vorne links beschädigt; der Zweitbeklagte, bei dem eine Blutalkoholkonzentration von 0,28 Promille festgestellt wurde, verursachte eine Bremsspur von 5,5 m; das gegen den Kläger eingeleitete Ordnungswidrigkeiten-Verfahren wegen Vorfahrtsverletzung hat das AG Tiergarten durch Beschluss vom 14.1.2009 - 304 OWi 961/08 - gem. § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt, weil es eine Ahndung der Ordnungswidrigkeit des Klägers als Betroffenen nicht für geboten hielt.

Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme am 5.2.2009 (Zeugnis der mitfahrenden Ehefrau des Klägers sowie dessen ebenfalls mitfahrenden Neffen A.) abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei es dem Kläger nicht gelungen, den gegen ihn als Wartepflichtigen sprechenden Anscheinsbeweis zu widerlegen oder zu erschüttern. Aus der Aussage des vom Kläger benannten Zeugen A. ergäbe sich auch, dass sich der Unfall nicht erst nach Beendigung des Abbiegens nach rechts ereignet habe.

Demgegenüber sei dem Zweitbeklagten kein Mitverschulden anzulasten; denn es sei weder festzustellen, dass der Zweitbeklagte durch überhöhte Geschwindigkeit den Unfall mitverursacht habe noch dass die festgestellte Alkoholisierung von 0,28 Promille sich ursächlich auf den Unfall ausgewirkt habe.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er eine Verurteilung der Beklagten nur noch nach einer Haftungsquote von 50 % erstrebt.

Er macht geltend: Die Beklagten träfe wenigstens eine hälftige Mithaftung. Rechtsirrig sei das LG von einem gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis ausgegangen, da ein "Vortasten" an der Einmündung unmöglich sei; der Kläger sei daher langsam fahrend der stumpfen Ecke gefolgt; ein "Übersichtpunkt", bis zu dem er sich hätte vortasten können, existiere aufgrund der Gestaltung der Einmündung nicht.

Darüber hinaus sei das LG aufgrund fehlerhafter Beweiswürdigung und unterlassener Beweiserhebung zu dem Ergebnis gelangt, die von ihm behauptete überhöhte Geschwindigkeit von 60 km/h sei nicht bewiesen worden; so sei die von der Polizei vermessene Bremsspur nicht berücksichtigt worden; auch das Beweisangebot, der als Zeuge benannte B. habe ein lautes Reifenquietschen des Beklagtenfahrzeugs wahrgenommen; das Erstgericht habe auch keinen Hinweis erteilt, dass es diesen Beweisantritt nicht für ausreichend halte und ein Unfallrekonstruktionsgutachten erforderlich sein könnte, auf welches der Kläger sich aber nicht berufen habe. Zum Beweise dafür, dass der Zweitbeklagte mit ca. 60 km/h gefahren sei, beziehe er sich auf ein einzuholendes Sachverständigengutachten.

Auch habe sich die alkoholische Beeinflussung unfallursächlich ausgewirkt (überhöhte Geschwindigkeit, Fahren in der Fahrbahnmitte, verzögerte Bremsreaktion).

II. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

1. Anscheinsbeweis

Entgegen der Auffassung des Klägers ist das LG zutreffend von einem gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis ausgegangen. Denn dieser Anscheinsbeweis knüpft aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung allein daran an, dass es zu einer Kollision zwischen einem wartepflichtigen und einem bevorrechtigten Fahrzeug gekommen ist (vgl. BGH NJW 1976, 1317; Senat NZV 2002, 79; VRS 105, 104).

Richtig sind auch die Ausführungen des LG auf S. 4 des angefochtenen Urteils, dass der Kläger den Anscheinbeweis nicht widerlegt oder erschüttert hat. Auch ergibt sich schon aus dem eigenen Vortrag des Klägers, dass er seinen Sorgfaltspflichten aus § 8 Abs. 2 Satz 2, 3 StVO nicht nachgekommen ist; danach darf der Wartepflichtige nur weiterfahren, ...

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