Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 17.02.2020; Aktenzeichen 306 OWi 762/19) |
Tenor
Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 17. Februar 2020 wird, ohne dass der Beschluss einer Begründung bedürfte (§ 80 Abs. 4 Satz 3 OWiG), verworfen.
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 27. Mai 2020 lag vor, gab aber zu einer anderen Bewertung keinen Anlass.
1. Die Rüge der "Entziehung des gesetzlichen Richters (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 analog)" (RB S. 26) ist unstatthaft. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ist dieser Zulassungsgrund auf die Fälle der Versagung rechtlichen Gehörs beschränkt. Eine analoge Anwendung auf weitere - auch durch die Verfassung ausgeschlossene - Rechtsverletzungen verbietet sich (vgl. Senat VRS 134, 48; zfs 2018, 473 m. Anm. Krenberger; HK-OWiG/Krumm 2. Aufl., § 80 Rn. 3; Hadamitzky in Karlsruher Kommentar, OWiG 5. Aufl., § 80 Rn. 40 m. w. N.).
2. Nach § 80 Abs. 2 OWiG ausgeschlossen ist bei der hier verhängten Geldbuße von nicht mehr als 100 Euro die Beanstandung der "Mitwirkung eines abgelehnten Richters bei dem Urteil" (RB S. 2). Die umfänglichen Rechtsausführungen zur angeblichen Fehlerhaftigkeit der Behandlung des Ablehnungsgesuchs betreffen Verfahrensrecht, dessen Prüfung dem Rechtsbeschwerdegericht nach der genannten Vorschrift entzogen ist.
3. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht zulässig erhoben.
a) Der Senat zweifelt die Auffassung des OLG des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 6. September 2012 - 2 Ss (Bz) 91/12 - [juris] mit alld. zustimmender Anm. Deutscher in jurisPR-StrafR 2/2013 Anm. 1) an, dass in der verfahrensrechtswidrigen Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs als unzulässig eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegen soll. Vielmehr würde dies eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG - Gebot des gesetzlichen Richters - darstellen, die in der hier zu entscheidenden Bagatellsache, wie unter 1. dargelegt, nicht gerügt werden kann. Den von Deutscher (a.a.O.) angedeuteten logischen Automatismus, demzufolge in jedem Verstoß gegen den gesetzlichen Richter auch ein solcher gegen das rechtliche Gehör liegen soll, sieht der Senat nicht. Auch die herrschende Literatureinung (vgl. Remmert in Maunz/Dürig, GG 89. EL Oktober 2019, Rn. 31 m. w. N.) geht von einer Spezialität des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gegenüber Art. 103 GG aus (noch weiter gehend [kein Überschneidungsbereich von Art 101 Abs. 1 Satz 2 und Art 103 GG]: Nolte in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 7. Aufl., Art. 103 Abs. 1 Rn. 94). Tatsächlich ist dem Betroffenen uneingeschränkt rechtliches Gehör gewährt worden; die nach § 80 OWiG unbehelflichen Einwendungen des Rechtsmittels gehen lediglich darauf, dies sei durch den unzuständigen Richter geschehen.
b) Aber selbst wenn man dem OLG des Landes Sachsen-Anhalt folgte und in einer rechtswidrigen Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs nicht nur einen Verstoß gegen Art. 101 GG, sondern auch einen solchen gegen Art. 103 GG sähe, wäre die Rüge unzulässig erhoben. Denn die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erfordert, dass der Betroffene bereits im Zulassungsverfahren darlegt, was er im Falle seiner Anhörung in der Sache geltend gemacht hätte (vgl. für viele BayObLG NZV 1998, 518), wie er sich also ergänzend oder anders verteidigt hätte. Hierzu verhält sich die Rechtsbeschwerde nicht. Das Beruhensmoment entfällt hier auch nicht, wie das Rechtsmittel meint, unter dem Gesichtspunkt der §§ 338 Nr. 3 StPO, 46 Abs. 1 OWiG, weil es "unwiderlegbar vermutet" werde (RB S. 23). Auch hier verkennt die Verteidigung, dass sich ihre Angriffsmöglichkeiten ausschließlich aus § 80 OWiG ergeben; § 338 StPO ist bei der hier abgeurteilten Bagatellsache nicht anwendbar.
c) Schließlich weist der Senat darauf hin, dass die Rüge, ihre Zulässigkeit unterstellt, aus den in der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft bezeichneten Gründen auch unbegründet wäre: Das Amtsgericht hat eine nach der Prozessordnung vorgeschriebene (Ermessens-) Entscheidung getroffen, nämlich über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Unterbrechung entschieden. Das Ablehnungsgesuch ist damit auch unter Berücksichtigung aller in der Rechtsmittelschrift und im Urteil genannten Umstände aus zwingenden Gründen zur Rechtfertigung des Gesuchs völlig ungeeignet, so dass es einem Gesuch ohne Angaben von Gründen (§ 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO) gleichsteht (vgl. BGH NStZ 2008, 46). Dass das Amtsgericht auf der Grundlage von § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO entschieden hat, ist unbeachtlich, weil das Rechtsbeschwerdegericht in Bezug auf die Zuständigkeitsregeln der §§ 26a, 27 StPO nach Beschwerdegrundsätzen entscheidet (vgl. Senat VRS 132, 57) und den Verwerfungsgrund auszutauschen hat (vgl. BGH wistra 2008, 267; 2009, 446).
Der Betroffene hat die Kosten seiner nach § 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG als zurückgenommen geltenden Rechtsbeschwerde zu tragen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI13980173 |