Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 14.12.2011; Aktenzeichen (539) 234 Js 2053/11 KLs (29/11)) |
Tenor
1. Die Beschwerden der Angeklagten gegen die Verfügung des Vorsitzenden der Strafkammer 39 des Landgerichts Berlin vom 14. Dezember 2011 werden als unzulässig verworfen.
2. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Beschwerden zu tragen.
Gründe
Gegen die Beschwerdeführer ist vor dem Landgericht Berlin ein Verfahren wegen versuchten Totschlags u.a. geführt worden, das in der ersten Instanz am 19. September 2011 mit einer (hinsichtlich des Angeklagten P. nicht rechtskräftigen) Verurteilung abgeschlossen worden ist. Während des laufenden Strafverfahrens hatte der Angeklagte P., der sich durch die Bildberichterstattung der B.Z. Ullstein GmbH über das Strafverfahren in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sah, bei dem Landgericht Hamburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen das Unternehmen gestellt. Einen Antrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 7. Dezember 2011, ihnen zur Führung des Zivilverfahrens Akteneinsicht zu gewähren, hat der Vorsitzende der Strafkammer 39, bei der das Hauptverfahren anhängig war, mit Verfügung vom 14. Dezember 2011 bewilligt. Der gegen die durch Übersendung der Akten im Januar 2012 erledigte Anordnung gerichteten Beschwerden der Angeklagten vom 5. und 9. März 2012, auf deren Einzelheiten der Senat Bezug nimmt, hat die Kammer nicht abgeholfen.
1. Die Beschwerden sind nicht statthaft.
a) Gemäß § 478 Abs. 3 Sätze 1 und 2 StPO sind ausschließlich Entscheidungen der Staatsanwaltschaft über die Gewährung von Auskünften und Akteneinsicht für Privatpersonen und andere Stellen (§ 475 StPO) anfechtbar. Die angefochtene Entscheidung hat hingegen der Vorsitzende des erkennenden Gerichts getroffen. Abgesehen davon, dass die Entscheidung aufgrund der bereits erfolgten Umsetzung der Verfügung prozessual überholt ist, unterliegt die Genehmigung von Akteneinsicht - hier nach § 475 Abs. 2 StPO - durch den Vorsitzenden des mit der Sache befassten Gerichts nicht der Beschwerde (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 3. Januar 2002 - 2 Ws 258/01 - = NJW 2002, 1590; Gieg in KK-StPO 6. Aufl., § 478 Rdn. 5; Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., § 304 Rdn. 5).
b) Etwas anderes lässt sich auch den vom Angeklagten P. zitierten Entscheidungen nicht entnehmen. Es ist zwar zutreffend, dass das Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe die Annahme eines berechtigten Interesses an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme erfordern kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 1997 - 2 BvR 817/90 - = NJW 1997, 2163). Der Senat lässt dahinstehen, ob ein solcher Eingriff hier anzunehmen wäre, denn die Zulässigkeit eines Feststellungsantrags setzt ein - hier nach der Strafprozessordnung nicht vorgesehenes - vor Eintritt der Erledigung statthaftes Rechtsmittel voraus (vgl. BVerfG, aaO.). Entsprechend lag dem vom Landgericht Dresden (Beschluss vom 6. Oktober 2005 - 3 AR 8/05 - = StV 2006, 11) beurteilten Sachverhalt die (anfechtbare) Gewährung von Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft zugrunde.
Die Gewährung nachträglichen Rechtsschutzes gegen unanfechtbare Entscheidungen bedeutete eine Umgehung des Willens des Gesetzgebers. Der von einer solchen Entscheidung Betroffene, dem im laufenden Verfahren kein statthaftes Rechtsmittel zur Verfügung steht, müsste lediglich die prozessuale Überholung abwarten, sodann einen Feststellungsantrag einreichen und könnte sich auf diesem Weg - systemwidrig - ein zulässiges Rechtsmittel schaffen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Von der Möglichkeit, bei den Angeklagten nach § 109 Abs. 2 Satz 1 JGG in Verbindung mit § 74 JGG von der Überbürdung der Kosten abzusehen, hat der Senat keinen Gebrauch gemacht. Anders als bei dem durch die Anklageerhebung eingeleiteten gerichtlichen Verfahren beruht die Entstehung der Kosten des Rechtsmittelverfahrens allein auf der autonomen Entscheidung der volljährigen Angeklagten, Rechtsmittel einzulegen. Es ist ihnen - auch aus erzieherischen Gründen - vor Augen zu führen, dass die Einlegung von (unzulässigen) Rechtsmitteln Kosten verursachen, die sie im Falle ihres Unterliegens tragen müssen und auch ohne Gefährdung ihrer Existenz tragen können (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Januar 2010 - (4) 1 Ss 525/09
(284/09) -, m.w.Nachw.).
Fundstellen