Leitsatz (amtlich)
Im Fall einer Einziehung und Aufstockung ist § 16 Abs. 3 S.4 GmbHG nicht anwendbar.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 20.02.2023; Aktenzeichen 95 O 98/22) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20.02.2023, Az. 95 O 98/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Das Landgericht hat zutreffend den Antrag abgewiesen. Dem Verfügungskläger steht ein Anspruch auf Zuordnung eines Widerspruchs gem. § 16 Abs. 3 S. 4 GmbHG nicht zu.
Am 14.1.2020 sind die Einziehung der Geschäftsanteile des Verfügungsklägers und die Aufstockung der verbleibenden Geschäftsanteile beschlossen worden (Anlage AG 4). Sollte sich die Einziehung als unwirksam erweisen, wäre die aktuelle Gesellschafterliste unrichtig, da sie den Anteil des Verfügungsklägers nicht mehr berücksichtigt.
Der Widerspruch nach § 16 Abs. 3 S.4 soll den berechtigten Inhaber eines Geschäftsanteils vor dem gutgläubigen Erwerb durch einen Dritten von einem Nichtberechtigten schützen. Voraussetzung für einen Anspruch auf Eintragung ist mithin die theoretische Gefahr eines solchen gutgläubigen Erwerbs. Auch wenn nach § 16 Abs. 3 S. 5 GmbHG keine konkrete Gefahr bestehen, d.h. nicht der Erwerb durch einen gutgläubigen Dritten bevorstehen muss, sieht das Gesetz den Widerspruch nur dann vor, wenn ein gutgläubiger Erwerb grundsätzlich in Betracht kommt.
Das ist hier aber zu verneinen. Infolge des Einziehungsbeschlusses vom 14.1.2020 ist der Geschäftsanteil des Verfügungsklägers aus der Gesellschafterliste entfernt worden. Denn die wirksame Einziehung führt zum Untergang des betroffenen Geschäftsanteils. Dem Anteil wird nicht ein anderer Inhaber zugewiesen, sondern er hört auf zu existieren. Da er in der Gesellschafterliste nicht mehr ausgewiesen ist, gibt es keinen anhand der Liste gutgläubig zu erwerbenden Anteil und damit kein Bezugsobjekt für den Widerspruch (vgl. LG Cottbus, Urteil vom 1.2.2018 - 11 O 73/17 - Rn. 36 f; Noack/Servatius/Haas/Servatius, 23. Aufl. 2022, GmbHG § 16 Rn. 28, 41; Fluck, GmbHR 2017, 67, 70). Durch eine Veräußerung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter würde der - im Fall einer unwirksamen Einziehung fortbestehende - Anteil des Verfügungsklägers unbeeinträchtigt bleiben.
Hingegen wäre ein Widerspruch zuzulassen, wenn man davon ausginge, dass die in die Gesellschafterliste eingetragene Aufstockung dazu führte, dass der Anteil des Verfügungsklägers sozusagen auf die übrigen Geschäftsanteile verteilt worden sei und mit diesen nun anteilig gutgläubig erworben werden könnte. Diese Auffassung vertritt wohl der Verfügungskläger. Der Senat schließt sich dem nicht an. Der Beschluss über die Aufstockung führt nicht zu einer Rechtsänderung, sondern bewirkt lediglich die Korrektur der zuvor als Rechtsfolge der (wirksamen) Einziehung kraft Gesetzes eingetretenen Veränderung der Beteiligung am Stammkapital (vgl. MüKoGmbHG/Strohn, 4. Aufl. 2022, GmbHG § 34 Rn. 71). Der Aufstockungsbeschluss und die Änderung der Gesellschafterliste haben nur deklaratorische Bedeutung. Die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses hängt nicht davon ab, dass gleichzeitig eine Anpassung der Nennbeträge erfolgt (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 2.12.2014 - II ZR 322/13 - Rn. 17 ff; str. s. MüKoGmbHG/Strohn a.a.O. zum Meinungsstand). Die Legitimation der verbleibenden Gesellschafter an ihren Anteilen besteht vor und nach Einziehung und Aufstockung gleichermaßen fort.
Erweist sich die Einziehung als unwirksam, werden die verbleibenden Gesellschafter nicht im Umfang des aufgestockten Anteils zu Nichtberechtigten. Die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste bezieht sich dann nicht auf die Berechtigung der verbleibenden Gesellschafter, sondern auf den Nennwert ihrer Anteile. Diese Angabe wird nicht von dem Gutglaubensschutz umfasst, der sich nur auf die Verfügungsbefugnis erstreckt (BT-Drucks. 354/07, S. 88). Der Nennbetrag kennzeichnet mit dem Maß der Beteiligung (vgl. Scheller in: Scholz, GmbHG, § 3 Rn. 52) etwas gänzlich anderes.
Der Senat verkennt nicht, dass für einen Erwerber der Nennwert des Anteils durchaus von Bedeutung ist, da er maßgeblich den Umfang der Rechte und Pflichten des Gesellschafters bestimmt wie etwa den seiner Beteiligung am Jahresergebnis, § 29 Abs. 3 GmbHG, und seines Stimmrechts, § 47 Abs. 2 GmbHG. In dem von dem Verfügungskläger angeführten Fall, in dem ein Dritter 100 % der verbleibenden Anteile erwirbt, kann es mithin passieren, dass der Erwerber sich einem weiteren, aus der aktuellen Gesellschafterliste nich...