Leitsatz (amtlich)
Der Senat schließt sich der im Vordringen befindlichen Auffassung an, dass über Erinnerungen gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Grundbuchamts nicht der Richter, sondern der Rechtspfleger zu entscheiden hat (vgl. OLG München, FGPrax 2011, 68).
Normenkette
GBO §§ 12, 12c; RPflG §§ 3, 8
Verfahrensgang
AG Berlin-Mitte (Beschluss vom 04.01.2012; Aktenzeichen 45 BT 1...-21) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert und insoweit wie folgt neu gefasst:
Dem Beteiligten wird Einsicht in das Wohnungsgrundbuch von Brandenburgertorbezirk Blatt 1...gewährt.
Darüber hinaus wird die Beschwerde bei einem Wert von 3.000 EUR zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit Schreiben vom 4.1.2012 bat der Beteiligte um Bestätigung bzw. Dementierung ihm zugetragener Informationen, dass der Bundestagsabgeordnete S.Eigentümer einer Wohnung am H.U...2...sowie des gesamten Mehrfamilienhauses H.U...3...in 1...B.sei. Sollte Herr S.nicht Eigentümer sein, bat der Beteiligte um Auskunft, ob die Ehefrau J...S.-G.als Eigentümerin eingetragen sei. Zur Begründung führte der Beteiligte an, er arbeite als freier Journalist an einer Biografie über den Bundestagsabgeordneten. Dieser habe sich gegen "Gentrifizierung", Wohnungsvermarktung und Vertreibung alternativer Hausbesetzer stark gemacht. Es bestehe ein öffentliches Interesse an der Klärung des Sachverhalts, da der Politiker möglicherweise ganz andere Interessen verfolge, als er dies publikumswirksam bekunde.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat das Begehren zurückgewiesen, weil der Beteiligte den Nachweis, als Journalist im Rahmen des öffentlichen Interesses tätig zu sein, nicht habe erbringen können. Den hiergegen erhobenen "Einspruch" hat das Grundbuchamt - Richterin - mit Beschluss vom 4.1.2012 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde 24.1.2012, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 15.2.2012 nicht abgeholfen hat.
II.1. Gegenstand des Verfahrens ist die dem Beteiligten durch das Grundbuchamt verwehrte Einsicht in das Grundbuch von Brandenburgertorbezirk Blatt 1...- Wohnungsgrundbuch - und Blatt 1... Dem steht nicht entgegen, dass der ursprüngliche Antrag auf Auskunft gerichtet war. Der Beteiligte hat in seinen Stellungnahmen deutlich gemacht, dass er tatsächlich Einsicht in das Grundbuch haben will. Entsprechend hat das Grundbuchamt - Urkundsbeamter und Richterin - auch den Antrag verstanden.
2. Die Beschwerde ist zulässig, §§ 12c Abs. 4 S. 2, 71 Abs. 1 GBO. Sie hat Erfolg, soweit die Einsicht in das Wohnungsgrundbuch Blatt 1...verwehrt worden ist. Zu Recht hat das Grundbuchamt hingegen eine Einsichtnahme in das Grundbuch Blatt 1...dem Beteiligten verwehrt.
a) Der angefochtene Beschluss ist nicht bereits aus formellen Gründen abzuändern. Allerdings war die Grundbuchrichterin für die Entscheidung nicht zuständig. Zwar hat nach dem Wortlaut des Gesetzes der Grundbuchrichter zu entscheiden, wenn der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dem Verlangen nach Änderung einer von ihm getroffenen Entscheidung nicht entspricht, § 12c Abs. S. 1 GBO. An die Stelle des Richters ist jedoch gem. § 3 Nr. 1 Buchst. h RPflG der Rechtspfleger getreten, dem durch diese Vorschrift die Geschäfte in Grundbuchsachen in vollem Umfang übertragen worden sind (OLG München, FGPrax 2011, 68, m.w.N.; so jetzt auch Demharter, GBO, 28. Aufl., § 12c Rz. 11). Gleichwohl ist es unschädlich, wenn an Stelle des Rechtspflegers der Richter entschieden hat, § 8 Abs. 1 RPflG. Dies führt nicht zur Aufhebung im Beschwerdeverfahren (OLG München, BeckRS 2011, 07262).
b) Die Einsicht des Grundbuchs ist jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt, § 12 Abs. 1 S. 1 GBO. Ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht ist dann gegeben, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamtes - bzw. des Beschwerdegerichts, §§ 74, 77 GBO - ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, wobei auch ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse das Recht auf Grundbucheinsicht begründen kann. Dabei reicht regelmäßig das Vorbringen sachlicher Gründe aus, welche die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen (KG, Beschl. v. 19.6.2001 - 1 W 132/01, NJW 2002, 223, 224 m.w.N.).
Über den ursprünglichen, dem allgemeinen Rechtsverkehr mit Grundstücken dienenden Regelungszweck des Grundbuchs hinaus vermag auch ein schutzwürdiges Interesse der Presse daran, von den für ein bestimmtes Grundstück vorgenommenen Eintragungen Kenntnis zu erlangen, ein berechtigtes Interesse i.S.v. § 12 Abs. 1 S. 1 GBO zu begründen (BGH, NJW 2011, 1651).
Das aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende, zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehörende Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Grundstückseigentümers wird durch § 12 GBO zwar eingeschränkt, aber nicht vollständig verdrängt. Es ist bei der Auslegung des Begriffs des berechtigten Interesses und bei der Abwägung einzubeziehen, ob das Geheimhaltungsin...