Leitsatz (amtlich)
Das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient nicht dazu, dem Verteidiger Gelegenheit zur Nachbesserung und Anpassung seines Vortrags an die Rechtslage zu geben, sondern ist im Interesse der Rechtssicherheit auf die Fälle beschränkt, in denen eine Frist aufgrund von tatsächlichen Hinderungsgründen (unverschuldet) versäumt worden ist. Fehler und Versäumnisse des Verteidigers bei der Rechtsanwendung muss sich der Angeklagte zurechnen lassen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 20.05.2014; Aktenzeichen (539) 273 Js 5808/11 Ls Ns (54/13)) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin - Jugendkammer - vom 20. Mai 2014 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 3. Juni 2014 wird als unzulässig verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
Das Landgericht Berlin hat am 22. April 2014 die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 31. Juli 2013 verworfen, nachdem er trotz ordnungsgemäßer Ladung zur Berufungshauptverhandlung nicht erschienen war. Noch am 22. April 2014 hat der Verteidiger des Angeklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung vorgetragen, dass der Angeklagte aufgrund einer akuten Gastroenteritis nicht verhandlungsfähig gewesen sei. Zur Glaubhaftmachung reichte der Verteidiger ein Attest des Dr. med. K vom 22. April 2014 zu den Akten, in dem lediglich vermerkt ist, dass der Angeklagte wegen einer akuten Gastroenteritis an diesem Tag nicht verhandlungsfähig sei.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 20. Mai 2014 hat das Landgericht den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, dass der pauschale Vortrag des Angeklagten unter Bezugnahme auf das ärztliche Attest, er sei wegen einer akuten Gastroenteritis nicht verhandlungsfähig gewesen, unzureichend sei. Hiergegen richtet sich die am 3. Juni 2014 zulässig erhobene sofortige Beschwerde des Angeklagten, mit der er behauptet, dass er zu seiner Erkrankung und der hieraus folgenden Verhandlungsunfähigkeit hinreichend konkret vorgetragen und seine Erkrankung durch die Vorlage des Attestes auch glaubhaft gemacht habe. Sollte dies nicht der Fall sein, beantragt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Die sofortige Beschwerde und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand haben keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung gegen das Urteil vom 22. April 2014 zu Recht als unzulässig verworfen.
a) Die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages nach § 45 Abs. 1, 2 Satz 1 StPO erfordert, dass der Angeklagte umfassend einen Sachverhalt vorträgt und glaubhaft macht, der ein Verschulden an seiner Säumnis ausschließen soll (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Januar 2014 - 4 Ws 1/14 -; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 57. Aufl., § 45 Rn. 5, 6; jeweils mwN). Dazu sind dem Gericht die für die Frage der Entschuldigung maßgeblichen Tatsachen so vollständig und genau mitzuteilen, dass es allein aufgrund dieser Ausführungen beurteilen kann, wie und gegebenenfalls durch welche Umstände es zu der Versäumung der Hauptverhandlung gekommen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 27. April 2012 - 4 Ws 19/12 - mwN). Eine Erkrankung kann das Ausbleiben des Angeklagten nur dann entschuldigen, wenn sie nach ihrer Art und ihren Auswirkungen, insbesondere nach dem Umfang der von ihr ausgehenden konkreten körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen, eine Beteiligung an einer Hauptverhandlung unzumutbar macht. Die hierfür maßgeblichen Tatsachen sind mit dem Wiedereinsetzungsantrag vollständig mitzuteilen (st. Rspr. des Senats, vgl. die Beschlüsse vom 6. Februar 2014 - 4 Ws 13/14 - und 31. August 2009 - 4 Ws 98/09 -; jeweils mwN). Anders als bei der Verwerfung der Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO trifft das Gericht im Wiedereinsetzungsverfahren keine Aufklärungspflicht. Es liegt vielmehr allein bei dem Angeklagten, die zur Entscheidung erforderlichen Tatsachen mitzuteilen und durch geeignete Mittel der Glaubhaftmachung zu belegen (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Juni 2012 - 4 Ws 50/12 - mwN). Nicht behebbare Zweifel an der Richtigkeit des Entschuldigungsvorbringens wirken sich zu Lasten des Angeklagten aus, da der Zweifelsgrundsatz im Verfahren über die Wiedereinsetzung nicht gilt (vgl. Senat, Beschluss vom 31. August 2011 - 4 Ws 81/11 -).
b) Das Landgericht hat bereits zutreffend ausgeführt, dass der pauschale Vortrag in dem Wiedereinsetzungsantrag, der Angeklagte sei wegen einer akuten Gastroenteritis an diesem Tag nicht verhandlungsfähig gewesen, den aufgezeigten Anforderungen nicht genügt. Zwar dürfen die Anforderungen an ein Wiedereinsetzungsvorbringen nicht überspannt werden (vgl. BerlVerfGH, Beschluss vom 7. Juni 2011 - 78/08, 108/08 - mwN [juris]). Dieser Grundsatz lässt indessen nicht das Erfordernis entfallen, konkret zu dem Hinderungsgrund vorzutragen, um es dem Gericht zu ermögl...