Leitsatz (amtlich)

1. a) Voraussetzung für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde in Vergabenachprüfungssachen ist nach § 117 GWB nicht die Stellung eines Beschwerdeantrages, dessen Inhalt über die Kennzeichnung des allgemeine Rechtsschutzziels des Beschwerdeführers hinausgeht.

1. b) Tatsachen hat der Beschwerdeführer Tatsachen lediglich insofern in der Beschwerdeschrift vorzutragen, als diese streitig sind und daher eine Beweiserhebung in Betracht kommt. Geht es dem Beschwerdeführer lediglich um eine abweichende Beurteilung von Rechtsfragen, genügt es, in der Beschwerdeschrift deutlich zu machen, inwieweit der Auffassung der Vergabekammer widersprochen wird.

2. Gemäß § 25a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A sind sämtliche Kriterien, die in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen genannt wurden, bei der Angebotswertung heranzuziehen und es dürfen nicht einzelne Kriterien weggelassen werden.

3. a) Zur vergaberechtsgemäßen Qualitätsbewertung der Angebote durch eine nicht zur Vergabestelle gehörende, externe Bewertungskommission.

3. b) Zur Frage des Unmöglichwerdens der Qualitätsbewertung, in dem Fall, dass die Mitglieder der Bewertungskommission voreingenommen sind.

4. Im Nachprüfungsverfahren ist es jedenfalls grundsätzlich nicht möglich, dass die Nachprüfungsinstanz eine von der Vergabestelle nicht angenommene Unzuverlässigkeit des Antragstellers bejaht und auf dieser Grundlage dessen Nichtberücksichtigungsfähigkeit annimmt.

 

Verfahrensgang

Vergabekammer des Landes Berlin (Beschluss vom 28.08.2009; Aktenzeichen VK-B1-25/09)

 

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Berlin, 1. Beschlussabteilung, vom 28.8.2009 - VK-B1-25/09 - wird bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel in der Hauptsache verlängert.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

3. Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf bis zu 1... EUR festgesetzt.

 

Gründe

1. Der Antrag ist gem. § 118 Abs. 2 GWB begründet.

Denn die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer vom 28.8.2009 hat Aussicht auf Erfolg und die Abwägung der Interessen aller Beteiligten gebietet es nicht, dass der Vergabezuschlag aufschublos erteilt werden kann. Hierzu im Einzelnen:

a) Die sofortige Beschwerde ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand zulässig. Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa) Die Beschwerdeanträge sind in dem erforderliche Maße bestimmt. Insbesondere ist es - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - unschädlich, dass die Antragstellerin nicht ausdrücklich erklärt, in welchem Verhältnis die Hilfsanträge zu 3. und 4. stehen.

Denn die Stellung eines Beschwerdeantrages, dessen Inhalt über die Kennzeichnung des allgemeine Rechtsschutzziels des Beschwerdeführers hinausgeht, ist nicht erforderlich. So gebietet zum einen § 117 GWB für die Form und den Inhalt der Beschwerde keine besonderen Anforderungen. Damit sind die allgemeinen Regeln betreffend die sofortige Beschwerde heranzuziehen (Stockmann in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl. 2007, § 120 Rz. 25). Danach bedarf es keines konkreten Beschwerdeantrages (für die sofortige Beschwerde im Zivilprozess: BGH, Z 91, 154 [160]; Heßler in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 569 Rz. 8). Zum anderen ist auch im Hinblick auf die Entscheidungsbefugnis des Senats für den Fall der Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer keine detaillierte Antragstellung erforderlich. Denn nach § 123 Satz 2 GWB kann der Senat in diesem Fall anstelle der Vergabekammer entscheiden. Diese wiederum entscheidet gem. § 107 Abs. 1 GWB zwar nur auf Grund eines allgemeinen Vergabenachprüfungsantrags, ist dann aber gem. § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB frei, die geeigneten Maßnahmen zu treffen; insofern ist die Vergabekammer an konkrete Anträge des Antragstellers nicht gebunden (Otting in Bechthold, GWB, 5. Aufl. 2008, § 114 Rz. 2). Daraus folgt, dass die Stellung derartiger Anträge für das Vergabenachprüfungsverfahren auch nicht erforderlich sind.

Es kann somit dahinstehen, ob sich aus der ziffernmäßigen Rangfolge der beiden Hilfsanträge konkludent ergibt, dass der Hilfsantrag zu 4. nur höchsthilfsweise im Falle der Nichterfolges des Hilfsantrages zu 3. gestellt wird.

bb) Die Beschwerdeschrift genügt - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - den formalen Anforderungen des § 117 GWB.

Denn nach dieser Vorschrift hat der Beschwerdeführer Tatsachen lediglich insofern in der Beschwerdeschrift vorzutragen, als diese streitig sind und daher eine Beweiserhebung in Betracht kommt. Sofern der Sachverhalt, der der Entscheidung der Vergabekammer zugrunde lag, nicht im Streit steht und es dem Beschwerdeführer lediglich um eine abweichende Beurteilung von Rechtsfragen geht, genügt es, in der Beschwerdeschrift deutlich zu machen, inwieweit der Auffassung der Vergabekammer widersprochen wird (Otting in Bechthold, GWB, 5. Aufl. 2008, § 117 Rz. 4). Damit hat der Beschwerdeführer seiner allgemeinen Begründungspflicht gem. § 117 Abs. 2 Satz 1 Genüge getan. Die zusätzliche Begr...

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