Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 22.11.2019; Aktenzeichen 157A F 12852/15)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg (Familiengericht) vom 2. Oktober 2019 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 22. November 2019 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antrag des Vaters auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Mutter wird zurückgewiesen.

Die Kosten erster und zweiter Instanz hat der Vater zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 500,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die weiteren Beteiligten zu 1. und zu 2. schlossen als Eltern der betroffenen Kinder in einem Umgangsregelungsverfahren am 12. Oktober 2017 eine Umgangsvereinbarung. Das Familiengericht protokollierte die Umgangsvereinbarung, versah das Protokoll mit einem vollständigen Rubrum und versandte es an die Beteiligten. Am 1. November 2017 erließ das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (Familiengericht) einen Beschluss, der als Rubrum lediglich die Angabe "In der Familiensache betreffend die Kinder S W und E W" und den Ausspruch enthält, dass der Umgangsvergleich vom 12. Oktober 2017 gerichtlich gebilligt wird; er widerspricht dem Kindeswohl nicht (S 156 Abs. 2 FamFG) sowie den Hinweis nach § 89 FamFG aufweist. Dieser Beschluss wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Eltern gegen EB zugestellt.

Auf den Antrag des Vaters hat das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg mit Beschluss vom 2. Oktober 2019 gegen die Mutter wegen Zuwiderhandlungen gegen den gerichtlich gebilligten Umgangsvergleich vom 12. Oktober 2017 in der Zeit bis zum 30.09.2019 ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 EUR festgesetzt. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Gegen die ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 9. Oktober 2019 zugestellte Entscheidung hat die Mutter am 21. Oktober 2019 sofortige Beschwerde bei dem Amtsgericht Tempelhof- Kreuzberg eingelegt, mit der sie die ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlungen bestreitet.

Der Vater beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 22. November 2019 hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde teilweise abgeholfen, das Ordnungsgeld auf 200,00 EUR herabgesetzt und im Übrigen die Sache dem Kammergericht vorgelegt.

II. Die statthafte (§ 87 Abs. 4 FamFG i. V. m. § 567 Abs. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§§ 87 Abs. 4 FamFG, 569 Abs. 1 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde der Mutter ist begründet.

Bei Erlass des Ordnungsmittelbeschlusses vom 2. Oktober 2019 lagen die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nicht vor, denn es fehlte die Zustellung des Vollstreckungstitels.

Vollstreckungstitel bei einem gerichtlich gebilligten Umgangsvergleich ist zwar allein der Billigungsbeschluss (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2019 - XII ZB 507/18 juris; Dürbeck ZKJ 2019, 423). Denn nicht schon die zwischen den Eltern geschlossene Vereinbarung führt zu einem Abschluss des Verfahrens. Zwar sieht § 36 Abs. 1 FamFG vor, dass die Beteiligten einen Vergleich schließen können, soweit sie über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können. Dies ist jedoch für das Umgangsrecht der Eltern nicht der Fall. Selbst wenn sie sich hierüber verständigt haben, bleibt es dem Familiengericht unbenommen, eine abweichende Regelung über das Umgangsrecht zu treffen, wenn die von den Eltern getroffene Vereinbarung dem Kindeswohl widerspricht (§ 156 Abs. 2 Satz 2 FamFG). Erst durch die Billigung des Gerichts tritt eine Erledigung des Verfahrensgegenstands ein. § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG sieht hierfür ausschließlich die Beschlussform vor. Das Gericht darf die Umgangsvereinbarung auch erst dann billigen, wenn es im Anschluss an die Protokollierung eine eigene - wenn auch eingeschränkte - Kindeswohlprüfung durchgeführt hat, zumal unter Umständen noch weitere Ermittlungen anzustellen sein könnten. Deshalb hat der entsprechende Beschluss nach § 156 Abs. 2 FamFG auch nicht bloß deklaratorische Bedeutung (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 10. Juli 2019 - XII ZB 507/18-, juris). Es kann hierbei dahinstehen, ob der Billigungsbeschluss des Amtsgerichts vom 1. November 2017 einen wirksamen Vollstreckungstitel darstellt, weil ihm unter Verstoß gegen § 38 Abs. 2 FamFG ein vollständiges Rubrum fehlt (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 23. Januar 2011 - 11 UF 212/11 FamRZ 2012, 1080; BGH, Beschluss vom 27. Juni 2003- IXa ZB 72/03 juris) und er zudem nicht den Inhalt der gebilligten Regelung (Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 156 FamFG, Rn. 69; Musielak/Borth/Borth/Grandel, 6. Aufl. 2018, FamFG § 86 Rn. 9) und damit die auferlegten Handlungspflichten der Beteiligten enthält. Grundsätzlich gilt, dass der Titel aus sich heraus genügend bestimmt sein muss. Es genügt nicht, wenn auf Urkunden Bezug genommen wird, die nicht Bestandteil des Titels sind, oder wenn sonst die Leistung nur aus dem Inhalt anderer Schriftstücke ermittelt werden kann (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2005 - XII ZR 94/...

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