Leitsatz (amtlich)
Zur auch nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11. Oktober 2005 - 5 ARs Vollz 54/05 - (BGHSt 50, 234) fortdauernden Problematik der Rechtmäßigkeit der Doppelbelegung von Hafträumen in nach 1977 errichteten Gebäuden in vor 1977 vorhandenen Vollzugsanstalten.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 28.06.2007; Aktenzeichen 543 StVK 190/07 Vollz) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Gefangenen gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 28. Juni 2007 wird als unzulässig verworfen.
Die Gewährung von Prozeßkostenhilfe für das Rechtsmittel wird abgelehnt.
Der Gefangene hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Der Antragsteller verbüßt bis voraussichtlich zum 19. Mai 2008 eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Tegel, einer vor 1977 eröffneten Anstalt. Er ist seit dem 20. Februar 2006 im behandlungsorientierten Wohngruppenvollzug in der Teilanstalt (TA) VI, einem nach 1977 errichteten Gebäude, untergebracht, wo ihm entsprechend dem Beschluß des Senats vom 10. Dezember 1997 - 5 Ws 327/97 Vollz - (NStZ-RR 1998, 191) ein Einzelhaftraum zugewiesen ist. Dieser Raum verfügt über eine Grundfläche von 10,19 m2, über einen Luftinhalt von 25,58 m3 und einen abgetrennten Naßbereich. Am 11. Oktober 2005 entschied der Bundesgerichtshof - 5 ARs Vollz 54/05 - in einem von dem OLG Naumburg ausgelösten, den Fall des Umbaus eines Hafthauses in einer seit vor 1977 bestehenden Vollzugsanstalt betreffenden Vorlageverfahren (vgl. BGHSt 50, 234 = NJW 2006, 306 = NStZ 2006, 57 = StV 2006, 148):
"Bei der Entscheidung über einen Anspruch auf Einzelunterbringung während der Ruhezeit (§ 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG) in einem nach Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes umgebauten Einzelbauwerk einer aus mehreren Bauwerken bestehenden - vor Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes erbauten - Justizvollzugsanstalt ist auf den Gesamtzustand der Justizvollzugsanstalt abzustellen mit der Folge, dass § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG auf die gesamte Justizvollzugsanstalt weiter anzuwenden ist."
Daraufhin informierte ein maßgeblicher Vollzugsmitarbeiter die Gefangenen dieser Teilanstalt, darunter den Antragsteller, in einer Vollversammlung am 8.Februar 2007, daß ihre Hafträume aufgrund der Überbelegung der gesamten Anstalt voraussichtlich doppelt belegt werden würden. Für den Fall, daß sie mit der Doppelbelegung nicht einverstanden seien, werde die Anstalt dafür Sorge tragen, ihnen einen Einzelhaftraum in der TA II zu vermitteln.
Der Gefangene beantragte (§ 109 Abs. 1 StVollzG) mit Schreiben vom 8. Februar 2007 - bei Gericht eingegangen am 13. Februar 2007 - im Wege der vorsorglichen Unterlassungsklage die Fortführung seiner Unterbringung in einem Einzelhaftraum der TA VI.
Die Einzelbelegung stelle einen ihn begünstigenden Verwaltungsakt dar, den die Vollzugsbehörde nur unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG bzw. § 14 Abs. 2 StVollzG widerrufen dürfe, die hier nicht vorlägen. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG stehe ihm eine Einzelunterbringung zu. Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Satz 2 StVollzG fehlten. Die Justizvollzugsanstalt Tegel sei seit etwa zehn Jahren überbelegt. Eine aus jahrelangen organisatorischen Defiziten verursachte Überbelegung sei kein vorübergehender Grund im Sinne des § 18 Abs. 2 Satz 2 StVollzG und rechtfertige keinen so erheblichen Eingriff in seine Resozialisierung.
Die Überbelegung verstoße gegen § 146 StVollzG. Die resozialisierenden Behandlungsmaßnahmen im Wohngruppenvollzug ließen sich in Doppelbelegung nicht sachgerecht ausführen. Es handele sich um einen die Menschenwürde tangierenden Verlust der Intim- und Privatsphäre. Auch der BGH habe bei einem Haftraum, dessen Bodenfläche 12 m2 unterschreite, Bedenken geäußert. Die bei einer Doppelbelegung noch verbleibende Bodenfläche sei für zwei Gefangene zu klein. Sie betrage nach Abzug der Naßzelle nur etwa 4 m2.
Die Vollzugbehörde ist dem entgegengetreten. Sie hat zunächst den Aufbau der TA VI in 12 Stationen geschildert und den vorgetragenen Sachverhalt bestätigt. Sie sei sich über den Grundsatz der Einzelunterbringung (§ 18 StVollzG) und deren Zweck im Klaren. Unter Berufung auf den vorbezeichneten Beschluß des Bundesgerichtshofs hat sie ihre Maßnahme damit verteidigt, daß die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies wegen der gestiegenen Gefangenenzahlen erforderten und ihre Auffassung näher mit Zahlenmaterial belegt. Für die erforderliche Ruhephase, während der der Antragsteller mit sich alleine sein müsse, gebe es großzügige Aufschlußzeiten, welche die Gefangenen durch Absprachen miteinander gestalten könnten.
Die Strafvollstreckungskammer hat die Anträge mit dem angefochtenen Beschluß vom 28. Juni 2007 zurückgewiesen. Die Vollzugsbehörde berufe sich zu Recht auf § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG. Seine bisherige Einzelunterbringung erfahre durch die beabsichtigte Doppelbelegung nur eine vorübergehende Einschränkung. Größe und Ausstattung des Haftraums seien auch nicht menschenunwürdig, weil der Haftraum eine a...