Leitsatz (amtlich)

1. Durch die Neuregelung des § 58 Abs. 3 Satz 1 und Satz 4 RVG sowie des § 17 Nr. 10a RVG in der Fassung des seit dem 1. August 2013 geltenden 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes ist die Rechtsprechung zum früheren Rechtszustand überholt.

2. Eine Anrechnung von Vorschüssen und Zahlungen im Straf- und Bußgeldverfahren - hier: Zahlungen für die Verteidigung im Ermittlungsverfahren - ist nach der Neuregelung nur noch auf die für die jeweilige Angelegenheit zu zahlenden gesetzlichen Gebühren möglich. Aus § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG folgt nichts anderes.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 31.03.2016; (538 KLs) 283 Js 2801/14 (7/15))

 

Tenor

Die Beschwerde der Bezirksrevisorin des Landgerichts Berlin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 31. März 2016 wird verworfen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Rechtsanwalt K. war ab dem 16. Februar 2015 für seinen inhaftierten Mandanten im Ermittlungsverfahren und zunächst auch noch im gerichtlichen Verfahren vor dem Landgericht als Wahlverteidiger tätig. Am ersten Hauptverhandlungstag wurde er nach Niederlegung seines Wahlmandats zum Pflichtverteidiger bestellt. Bis dahin hatte er an der Haftbefehlsverkündung, einem Haftprüfungstermin vor dem Ermittlungsrichter und einem weiteren Haftprüfungstermin vor der Strafkammer teilgenommen. Er verteidigte den Angeklagten in zwei Terminen zur Hauptverhandlung, legte gegen das Urteil Revision ein und begründete diese.

Nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens beantragte Rechtsanwalt K., für das Verfahren vor der Strafkammer und die Revision Pflichtverteidigergebühren und Auslagen in einer Gesamthöhe von 1.961,12 Euro brutto festzusetzen. Er erklärte, mit seinem Mandanten für das Ermittlungsverfahren, für das er keine Pflichtverteidigervergütung geltend mache, eine gesonderte Vergütungsvereinbarung in Höhe von 4.300 Euro brutto (= 3.613,44 Euro netto) getroffen zu haben. Dieser Betrag sei ihm auch gezahlt worden. Weitere Zahlungen und/oder Vorschüsse habe er nicht erhalten. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat dem Antrag lediglich in Höhe von 633,08 Euro stattgegeben. Unter Bezugnahme auf die entsprechende Stellungnahme der Bezirksrevisorin des Landgerichts hat sie dies damit begründet, dass eine analoge Anwendung des § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG gerechtfertigt sei. Die vereinbarte Zahlung des Verurteilten auf die Gebühren des Ermittlungsverfahrens überschreite die Höchstgebühren eines Wahlverteidigers deutlich (um das 3,04-fache). Daher sei das für das Ermittlungsverfahren geleistete Honorar in Höhe von 3.613,44 Euro nur bis zu den Beträgen der Höchstgebühren eines Wahlverteidigers und im Übrigen in vollem Umfang auf das erstinstanzliche Verfahren anzurechnen. Dementsprechend hat die Urkundsbeamtin den festgesetzten Betrag wie folgt berechnet:

I. Ermittlungsverfahren

Grundgebühr, Nr. 4101 VV RVG

450,00 Euro

(Höchstgebühr)

Terminsgebühr, Nr. 4103 VV RVG

(Teilnahme am Haftbefehlsverkündungstermin am 17. Februar 2015 mit Verhandlung über die Haftfrage und am Haftprüfungstermin am 3. März 2015)

375,00 Euro

(Höchstgebühr)

Verfahrensgebühr, Nr. 4105 VV RVG

362,50 Euro

(Höchstgebühr)

Insgesamt

1.187,50 Euro

Abzuziehen erhaltene Nettozahlung

3.613,44 Euro

Somit auf die beantragten Gebühren für das gerichtliche Verfahren anzurechnender Betrag

2.425,94 Euro

II. Gerichtliches Verfahren

Verfahrensgebühr, Nr. 4113 VV RVG

180,00 Euro

Terminsgebühr, Nr. 4103 VV RVG

(Teilnahme am Haftprüfungstermin am 2. April 2015)

166,00 Euro

Terminsgebühren je Hauptverhandlungstag, Nr. 4115 VV RVG

- 29. Mai 2015

- 4. Juni 2015

312,00 Euro

312,00 Euro

Insgesamt

970,00 Euro

Doppelter Betrag (§ 58 Abs. 3 Satz 3 RVG)

1.940,00 Euro

Abzuziehen restliche Nettozahlung

2.425,94 Euro

Noch aus der Landeskasse zu gewährender Betrag

0,00 Euro

Pauschale gem. Nr. 7002 VV RVG

20,00 Euro

Zwischensumme

20,00 Euro

Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

3,80 Euro

Anzusetzen

23,80 Euro

III. Revisionsverfahren

Verfahrensgebühr, Nr. 4130 VV RVG

492,00 Euro

Pauschale gem. Nr. 7002 VV RVG

20,00 Euro

Zwischensumme

512,00 Euro

Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

97,28 Euro

Anzusetzen

609,28 Euro

Festgesetzter Betrag

633,08 Euro

Das Landgericht Berlin hat mit der angefochtenen Entscheidung der Erinnerung des Rechtsanwalts K. im Wesentlichen stattgegeben und die ihm aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung für das gerichtliche Verfahren und das Revisionsverfahren auf 1.787,38 Euro festgesetzt. Gekürzt hat es lediglich die Gebühr für den Haftprüfungstermin vor dem Landgericht, die vom Antragsteller zu hoch angesetzt worden war. Im Übrigen hat es dargelegt, dass das dem Antragsteller aufgrund der Honorarvereinbarung für das Ermittlungsverfahren gezahlte Entgelt allein auf die im Ermittlungsverfahren und nicht auch auf die im gerichtlichen Verfahren entstandenen Gebühren anzurechnen sei. Eine analoge Anwendung des § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG sei nicht gerechtfertigt. Dementsprechend hat es den festgesetzten Betrag wie folgt...

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