Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 18.09.2009; Aktenzeichen 38 O 263/07)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Berlin vom 18.9.2009 - 38 O 263/07 - abgeändert:

Die nach dem am 31.3.2009 verkündeten Urteil des LG - 38 O 263/07 - von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 5.168,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.5.2009 festgesetzt.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf 221,02 EUR festgesetzt.

Die Gebühr nach KV 1812 GKG wird nicht erhoben.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten des Klägervertreters. Die in Leipzig wohnende Klägerin nahm die Beklagte, die ihren Geschäftssitz in Berlin hat, vor dem LG Berlin auf Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinne (culpa in contrahendo) wegen einer Beteiligung an einem Immobilienfonds in Anspruch. Mit ihrer Vertretung beauftragte sie eine Anwaltssozietät, die ihren Sitz in Kiel hat. Zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG Berlin am 3.3.2009 reiste ein Anwalt dieser Sozietät am Vortag über Hamburg nach Berlin, übernachtete in einem Hotel und kehrte am Nachmittag des Terminstages wieder nach Kiel zurück. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß und legte ihr die Kosten des Rechtsstreits auf.

Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 13.5.2009 hat die Beklagte neben den Rechtsanwaltsgebühren zusätzlich Fahrkosten i.H.v. insgesamt (netto) 331,73 EUR angemeldet. Die Rechtspflegerin beim LG hat mit dem angegriffenen Beschluss die geltend gemachten Anwaltsgebühren festgesetzt, die Reisekosten auf die fiktiven Kosten einer Reise von Leipzig nach Berlin mit (netto) 146 EUR beschränkt und die weitergehenden Kosten abgesetzt.

Gegen Letzteres richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie geltend macht, dass die von ihr beauftragte Anwaltssozietät hinsichtlich des zu führenden Rechtsstreits über besondere tatsächliche und rechtliche Kenntnisse verfügt, was ausnahmsweise die zusätzlichen Reisekosten rechtfertigt.

II. Das nach § 104 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG als sofortige Beschwerde statthafte Rechtsmittel ist zulässig. In der Sache hat die sofortige Beschwerde auch zum weit überwiegenden Teil Erfolg. Lediglich hinsichtlich eines Teils des Tage- und Abwesenheitsgeldes i.H.v. (netto) 25 EUR war sie zurückzuweisen.

Vorab ist klarstellend festzustellen, dass das LG die Klägerin nicht in ihrem Recht auf die Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt hat, dass es über die Nichtabhilfe ohne Anhörung der Klägerin zu dem im Schriftsatz vom 3.11.2009 erfolgten Vortrag der Beklagten entschieden hat. Der Nichtabhilfebeschluss stammte ebenfalls vom 3.11.2009 und ist noch am selben Tag expediert worden. Der fragliche Schriftsatz ist der Rechtspflegerin aber erst am 5.11.2009 vorgelegt worden.

Das LG hat die geltend gemachten Fahrkosten zu Unrecht zum Teil abgesetzt. Gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insb. dem Gegner die ihm erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Erstattungsfähigkeit der im Streit befindlichen Reisekosten hängt allein davon ab, ob es für die Klägerin notwendig war, einen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung zu beauftragen, der nicht am Ort des Prozessgerichts, sondern in Kiel ansässig ist (§ 91 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 ZPO). Ob eine bestimmte Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme notwendig im Sinne dieser Vorschrift ist, lässt sich sinnvollerweise nur über eine typisierende Betrachtung entscheiden, denn der Vorteil, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen wäre, steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in jedem Einzelfall darüber gestritten werden kann, ob die Kosten einer bestimmten Maßnahme zu erstatten sind oder nicht.

In der Regel wird eine Partei, die einen Rechtsstreit zu führen beabsichtigt, einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohnortes aufsuchen, um dessen Rat in Anspruch zu nehmen und für eine sachgerechte Information des Rechtsanwaltes zu sorgen. Die Zuziehung eines nicht bei dem Prozessgericht zugelassenen, aber in der Nähe des Wohnortes ansässigen Rechtsanwaltes ist dabei regelmäßig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, wenn eine sachgerechte Information nur in einem persönlichen mündlichen Gespräch erfolgen kann.

Auf dieser Grundlage ist es nicht zu beanstanden, wenn die Partei einen Rechtsanwalt an einen dritten Ort beauftragt, solange dessen Reisekosten zum Prozessgericht nicht höher sind als die Kosten, die entstanden wären, wenn die Partei einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohnortes beauftragt hätte. In der Regel wird es hierfür sachliche Gründe geben, insb. das berechtigte Interesse der Partei...

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