Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Kostenregelung in einem im Adhäsionsverfahren geschlossenen Prozessvergleich

 

Leitsatz (amtlich)

Der in einer Strafsache protokollierte Vergleich zwischen dem Angeklagten und dem Adhäsionskläger ist nach den kostenrechtlichen Grundsätzen und Regelungen der Zivilprozessordnung auszulegen.

Haben der Angeklagte und der Adhäsionskläger in einem solchen Vergleich vereinbart, dass der Angeklagte die "Kosten" des Adhäsionsverfahrens und des Vergleichs zu tragen hat, ist damit zugleich eine Regelung über die notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers getroffen.

 

Normenkette

ZPO §§ 103-104, 794 Abs. 1 Nr. 1; StPO § 405 Abs. 1 S. 1, § 464b

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 20.11.2014; Aktenzeichen (539) 234 Js 440/13 KLs (64/13))

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Adhäsionsklägers wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 20. November 2014 aufgehoben.

Die Vergütung des Rechtsanwalts J. K. wird hinsichtlich seiner Heranziehung in dem mit dem Vergleich vom 27. März 2014 beendeten Adhäsionsverfahren gegen den zur Erstattung verpflichteten E.C. M. auf

2.015,86 Euro

nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB) seit dem 28. Juli 2014 festgesetzt.

2. Kostenfestsetzungs- und Beschwerdeverfahren sind gebührenfrei. Die dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen hat der Adhäsionsbeklagte M. zu tragen.

 

Gründe

Der Angeklagte und Adhäsionsbeklagte M. verpflichtete sich in einem am 27. März 2014 vor der Jugendkammer des Landgerichts geschlossenen Vergleich unter anderem, an den Adhäsionskläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000.-- EUR nebst Zinsen zu zahlen sowie die "Kosten" des Adhäsionsverfahrens und des Vergleichs zu tragen. Nach Anhörung der Vergleichsparteien hat das Landgericht den Gegenstandswert auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

In seinem Antrag vom 28. Juli 2014 hat der Adhäsionskläger gemäß § 464b StPO die Festsetzung seiner notwendigen Auslagen für die anwaltliche Vertretung im Adhäsionsverfahren in Höhe von 2.015,86 Euro geltend gemacht. Mit Beschluss vom 20. November 2014 hat der Rechtspfleger des Landgerichts den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen, weil der Vergleich keine Regelung bezüglich der notwendigen Auslagen enthalte. Kosten des Verfahrens seien nach § 464a Abs. 1 StPO nur die Gebühren und Auslagen der Staatskasse. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Adhäsionsklägers, der seinen Antrag weiterverfolgt.

Die nach § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.

1. Mit dem hier geschlossenen Vergleich haben die Parteien unter Zugrundelegung des zivilprozessualen Kostenbegriffs zugleich eine Regelung über die notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers getroffen.

Das Kostenfestsetzungsverfahren richtet sich nach §§ 103 f ZPO. Zuständig für die Festsetzung ist der Rechtspfleger des mit der Strafsache befassten Landgerichts (§ 104 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 21 Nr. 1 RPflG). Grundlage für die Festsetzung nach §§ 103 f ZPO ist der nach § 405 Abs. 1 Satz 1 StPO geschlossene und protokollierte Prozessvergleich vom 27. März 2014 als Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Dieser ist nach den kostenrechtlichen Grundsätzen und Regelungen der Zivilprozessordnung auszulegen (vgl. LG Hildesheim, Beschluss vom 23. September 2013 - 22 Qs 7/13 - ; Burhoff/Volpert, RVG in Straf- und Bußgeldsachen 4. Aufl., Teil A Rdn. 728 und 1341).

Dem steht nicht entgegen, dass innerhalb eines Strafverfahrens - wie hier hinsichtlich der Festsetzung nach § 103 f ZPO aus dem Vergleich und der Festsetzung nach § 464b StPO aus der gerichtlichen Kosten- und Auslagenentscheidung in dem Urteil gegen die anderen Adhäsionsbeklagten - unterschiedliche Verfahrensordnungen und Kostenbegriffe gelten können. Mit der Einführung der Regelungen über das Adhäsionsverfahren hat der Gesetzgeber zugunsten einer schnellen und effizienten Erledigung der mit einer Straftat verbundenen Rechtsfragen die Anwendung von Normen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten in Kauf genommen (vgl. Meier/Dürre: Das Adhäsionsverfahren, JZ 1/2006, S. 18 [19, 25]). Er hat Vorschriften aus Buch 8 der Zivilprozessordnung (§ 406 Abs. 3 Satz 2 StPO) und zivilrechtliche Elemente wie den Vergleich (§ 405 StPO) in das Strafverfahren übertragen. Insofern liegt die Anwendung des zivilprozessualen Kostenbegriffs nahe. Denn § 405 StPO beruht auf den Vorstellungen und Grundsätzen des Zivilprozessrechts (vgl. LG Hildesheim, aaO.). Dies zeigt die inhaltliche Übereinstimmung zwischen § 160 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 ZPO und § 405 Abs. 1 StPO, der die Protokollierung auf Antrag regelt. Die Übertragung zivilrechtlicher Grundsätze ist folgerichtig, denn der Vergleich ist ein privatrechtlicher Vertrag über zivilrechtliche Ansprüche. Das Strafverfahren bietet lediglich den Anlass und über das Adhäsionsverfahren die Möglichkeit für diese Vereinbarung. Damit geht einher, dass die Einigung hinsichtlich der Haupt- und Nebenforderungen - wi...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge