Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert eines Scheidungsverfahrens. Berücksichtigung von Leistungen nach dem SGB II. Abzug für Kinder

 

Leitsatz (redaktionell)

Leistungen nach dem SGB II sind kein Einkommen gemäß § 48 Abs. 2 GKG. Für unterhaltsberechtigte Kinder ist ein Abzug vom Einkommen vorzunehmen, hier 200,00 EUR/Kind.

 

Normenkette

GKG § 48 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 05.03.2009; Aktenzeichen 145 F 2522/07)

 

Tenor

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin (Rechtsanwälte ...) gegen den Streitwertbeschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 5.3.2009 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A. Das AG hat den Streitwert für die Scheidung gem. § 48 Abs. 2 und 3 GKG auf 2.400 EUR (und 2.000 EUR für den Versorgungsausgleich) festgesetzt. Dabei hat es - wie es in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 27.4.2009 ausgeführt hat - ein monatliches Nettoeinkommen des Antragsgegners von 1.200 EUR berücksichtigt sowie einen Abschlag von je 200 EUR für jedes der beiden Kinder vorgenommen. Die von der Antragstellerin (und den Kindern) bezogenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGBII von monatlich 736,51 EUR hat es nicht als Einkommen berücksichtigt.

Hiergegen wenden sich die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Wertfestsetzung auf 5.810 EUR für die Scheidung begehren und dazu geltend machen, die Leistungen nach dem SGBII müssten bei der Streitwertfestsetzung berücksichtigt werden und die Abschläge für die Kinder müssten unterbleiben, da insoweit das Kindergeld von 308 EUR und der vom Vater ohne Anrechnung von Kindergeld gezahlte Unterhalt von 305 EUR zu keiner Anrechnung führe bzw. das Kindergeld dem Unterhalt entspreche.

Der Einzelrichter des Senats hat mit Beschluss vom 22.6.2009 die Sache dem Senat gem. § 568 ZPO übertragen.

Die gem. § 68 GKG, § 32 Abs. 2 RVG zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Senat nimmt zunächst auf den Hinweis des Einzelrichters vom 18.5.2009 Bezug, in dem u.a. ausgeführt ist:

"Der Senat weist darauf hin, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGBII kein Nettoeinkommen nach § 48 Abs. 3 GKG sind und deshalb nicht bei der Streitwertfestsetzung heranzuziehen sind und die Abzüge wegen der Kinder sich im Rahmen der üblichen Beträge halten, ein Ermessenfehler des AG ist insoweit nicht ersichtlich. Diese Beträge sind nicht ohne weiteres mit tatsächlichen Unterhaltsleistungen gleichzusetzen.

Der Senat hatte schon zu den früheren Sozialhilfeleistungen, jetzt ALGII, entschieden, dass diese nicht Einkommen i.S.d. § 12 Abs. 2 GKG a.F. sind (Beschluss vom 4.1.1999, Geschäftsnummer: 16 WF 7644/98, KGReport 2000, 8). Nichts Anderes gilt nun für § 48 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 und 2 GKG. Nettoeinkommen i.S.v. § 48 Abs. 3 S. 1 GKG setzt voraus, dass auch Bruttoeinkünfte der jeweiligen Einkommensart denkbar sind, was nur bei Erwerbs- oder Vermögenseinkünften (bzw. diesbezüglichen Ersatzeinkommen wie Krankengeld, Renten usw.) in Betracht kommt, nicht aber bei Sozialhilfe/ALGII. Zudem würde andernfalls der Mindestwert von 2.000 EUR keinen Sinn ergeben, weil selbst wenn beide Ehepartner von ALGII leben, dieser überschritten würde, und zwar bereits mit dem Grundbetrag von je 351 EUR ohne Berücksichtigung der auf beiden Seiten anfallenden Miete (2000 EUR/6 Monate = 333 EUR). Der Gesetzgeber hat auch mit der Festlegung dieses Mindestwertes zu erkennen gegeben, dass ALGII nicht zu den Einkünften i.S.v. § 48 Abs. 2 und 3 GKG gehört. Soweit die vom Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin eingereichte Entscheidung des OLG Frankfurt (Beschluss vom 28.6.2007, Geschäftsnummer: 6 WF 88/07) das u.a. deshalb anders sieht, weil der Mindestwert seit mehr als 30 Jahren keine Änderung erfahren habe und allein die Inflation dazu führe, dass der Mindestwert jetzt auch mit ALGII überschritten werde und der Mindestwert deshalb keine Aussagekraft habe, folgt der Senat dem nicht. Im Jahr 2001 (ab 1.1.2002) hatte der Gesetzgeber in § 12 GKG die Beträge von DM an EUR angepasst. Während dabei der Mindestwert für die Ehesache nahezu unverändert blieb (alt: 4.000 DM (= 2.045,17 EUR)/neu: 2.000 EUR), hat der Gesetzgeber für Folgesachen den Verfahrenswert erhöht (alt: 1.500 DM (766,94 EUR)/neu: 900 EUR) und dies in den folgenden Änderungen so belassen. § 48 GKG (früher § 12 GKG) wurde im Jahr 2004 neugefasst und im Jahr 2006 geändert. Es ist ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber dabei angesichts der ihm bekannten geänderten Höhe von Sozialhilfe/ALGII an einem - würde der Auffassung des OLG Frankfurt gefolgt - offensichtlich überflüssigen, bedeutungslosen Mindestwert festgehalten hätte, obwohl er etwa bei den Folgesachen Änderungen vornahm. Abgesehen davon, kannte auch der Gesetzgeber von 1975 die absehbaren Folgen der Inflation und es ist nicht davon auszugehen, dass er diese nicht einkalkulierte. Grundsätzlich ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber Gese...

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