Leitsatz (amtlich)
Der Verstoß gegen das in einem familiengerichtlich gebilligten Vergleich enthaltene Unterlassungsgebot kann auch noch nach Ablauf der im Titel festgesetzten Befristung durch die Verhängung von Ordnungsmitteln geahndet werden, wenn der Verstoß innerhalb der Verbotsfrist begangen worden ist (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 10. Mai 2017 - XII ZB 62/17, u.a. FamRZ 2017, 1329).
Verfahrensgang
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Aktenzeichen 23 F 3323/20) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird die Sache unter Aufhebung des am 11. Mai 2021 erlassenen Beschlusses des Amtsgerichts Pankow/Weißensee - 23 F 3323/20 - und des zugrundeliegenden Verfahrens, soweit dort der Antrag des Antragstellers vom 23. Februar 2021 zurückgewiesen wurde, zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über dessen Antrag und über die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde an das Amtsgericht Pankow/Weißensee zurückverwiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller wendet sich dagegen, dass das Familiengericht seinen Antrag vom 23. Februar 2021 zurückgewiesen hat, gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld zu verhängen, weil dieser gegen den am 21. Oktober 2020 abgeschlossenen, familiengerichtlich bestätigten Vergleich in einer Gewaltschutzsache nach § 1 GewSchG zuwidergehandelt haben soll.
Beide Beteiligte sind Nachbarn in einem Sechs-Parteien-Wohnhaus, in dem dem Antragsteller und dessen Ehefrau vier Wohnungen und dem Antragsgegner eine Wohnung gehören. Beide Beteiligte wohnen mit ihren jeweiligen Familien in unterschiedlichen Hausetagen. Bereits seit mehreren Jahren kam es zwischen ihnen wiederholt zu verbalen und teilweise auch körperlich ausgetragenen Angriffen, Übergriffen und Nachstellungen unterschiedlichster Art. Beide Beteiligten beschuldigen sich gegenseitig, für die jeweiligen Übergriffe verantwortlich zu sein bzw. einen Angriff begonnen zu haben, dessen man sich lediglich erwehrt habe; beide beteuern, nichts Anderes zu wollen, als "einfach nur in Ruhe" gelassen zu werden. Im familiengerichtlichen Anhörungstermin vom 21. Oktober 2020 haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen, in dem sie sich jeweils verpflichtet haben, für die Dauer von sechs Monaten wechselseitig einen Abstand von 30 Meter zueinander einzuhalten und bei einem zufälligen Aufeinandertreffen diesen Abstand unverzüglich wiederherzustellen. Das Familiengericht hat den Vergleich bestätigt und die Beteiligten zugleich auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen den bestätigten Vergleich hingewiesen.
Der Antragsteller hat am 23. Februar 2021 unter Hinweis auf den im Hauptsacheverfahren abgeschlossenen, familiengerichtlich bestätigten Vergleich beantragt, gegen den Antragsgegner Ordnungsmittel zu verhängen. Hierzu hat er vorgetragen, der Antragsgegner habe ihn bzw. seine Familie wiederholt durch unerlaubtes Filmen provoziert. Auch am 9. Februar 2021 habe der Antragsgegner ihn dabei gefilmt, wie er gerade Schnee gefegt habe. Dabei soll der Antragsgegner absichtlich auf den Besen getreten sein, den er mit den Händen geführt habe; dabei sei dieser bis auf etwa einen Meter an ihn herangetreten. Beweis für den Vortrag hat der Antragsteller nicht angeboten, sondern er hat sich darauf beschränkt, um einen gerichtlichen Hinweis zu bitten, ob er seine Angaben an Eides Statt versichern solle.
Diesen Vortrag hat der Antragsgegner bestritten und seinerseits unter dem 1. April 2021 beantragt, gegen den Antragsteller wegen des Vorfalls vom 9. Februar 2021 Ordnungsmittel zu verhängen. Hierzu hat er vorgetragen, der Antragsteller habe den Vorfall falsch wiedergegeben. Zutreffend sei, dass er die Kamera seines Mobiltelefons sichtbar eingeschaltet habe, wenn er dem Antragsteller begegne, um zu vermeiden, von diesem angegriffen zu werden bzw. um eventuelle Angriffe dokumentieren zu können. Er habe den Antragsteller erkannt, wie dieser Schnee gekehrt habe. Zwar habe er versucht, einen möglichst großen Abstand zum Antragsteller einzuhalten, aber dieser sei ihm in den Hof des Anwesens gefolgt, habe ihn beleidigt, mit dem Besen bewusst Schnee in seine Richtung gekehrt und habe ihm schließlich den Besen zwischen die Beine gestoßen. Zur Glaubhaftmachung hat sich der Antragsgegner auf ein nachgereichtes "Video" bezogen sowie auf das Zeugnis seiner Ehefrau, die den Vorfall beobachtet haben soll.
Der Antragsteller ist dem (Gegen-) Antrag entgegengetreten.
Mit dem am 11. Mai 2021 erlassenen Beschluss hat das Familiengericht die Anträge sowohl des Antragstellers als auch des Antragsgegners zurückgewiesen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass die im Gewaltschutztitel vom 21. Oktober 2020 bestimmte Frist von sechs Monaten, für deren Dauer die Beteiligten sich verpflichtet haben, einen Abstand von 30 Metern zueinander einzuhalten, bei Beschlusserlass im Mai 2021 bereits abgelaufen gewesen sei und die behaupteten Verstöße deshalb nicht mehr sanktioniert werden könnten. Zwar sei es richtig, dass ein zu verhängendes Ordnungsmittel stets auch einen Strafcharakter habe. Abe...