Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Gerichtskostenermäßigung nach Erlass eines Versäumnisurteils gegen den Kläger
Leitsatz (amtlich)
Eine Ermäßigung der Verfahrensgebühr nach KV Nr. 1211c der Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG a.F. tritt nicht ein, wenn vor der Verfahrensbeendigung durch Abschluss eines Prozessvergleichs bereits ein Versäumnisurteil gegen den Kläger ergangen ist.
Normenkette
GKG-KV Nr. 1211; ZPO § 330
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 10.07.2004; Aktenzeichen 20 O 250/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Beklagten nach einem Wert von 242 EUR zurückgewiesen.
Gründe
I. Gegen die Klägerin war im Termin zur Verkündung einer Entscheidung ein Versäumnisurteil ergangen, nachdem sie im vorangegangenen Verhandlungstermin einen Vergleich mit Widerrufsvorbehalt geschlossen, aber keinen Antrag zur Sache gestellt und später den Vergleich fristgerecht widerrufen hatte. Auf den Einspruch der Klägerin hin wurde Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung anberaumt, in dem sich die Parteien erneut verglichen. Nach jenem nicht mehr widerrufenen Prozessvergleich vom 30.6.2004 hat die Beklagte die Kosten des Vergleichs zu tragen, die Kosten des Rechtsstreits wurden gegeneinander aufgehoben.
In dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.7.2004 hat das LG die von der Klägerin verauslagte volle gerichtliche Verfahrensgebühr gem. Nr. 1210 KV zum GKG in den Kostenausgleich einbezogen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit dem Einwand, durch den Abschluss des Vergleichs vom 30.6.2004 sei nach Nr. 1211 KV eine Ermäßigung der Verfahrensgebühr von dem 3,0-fachen Satz auf den 1,0-fachen Satz eingetreten.
II. Das Rechtsmittel ist gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO zulässig, aber unbegründet.
Der von der Beklagten ggü. dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.7.2004 erhobene Einwand, die festgesetzten Gerichtskosten seien nur in geringerer Höhe entstanden, ist zwar im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigten (KG v. 27.5.1997 - 1 W 8000/96, KGReport Berlin 1997, 151 = MDR 1997, 889, m.w.N.). Er greift jedoch nicht durch. Zu Recht hat das LG Gerichtskosten in Höhe einer vollen Verfahrensgebühr von 726 EUR bei der Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff. ZPO berücksichtigt.
Die Gerichtskosten richten sich im vorliegenden Rechtstreit aus dem Jahr 2003 gem. § 72 GKG nach dem Gerichtskostengesetz in der bis zum 30.6.2004 gültigen Fassung. Nach Nr. 1210 des Kostenverzeichnisses zum GKG a.F. (im Folgenden: KV) betragen die allgemeinen Verfahrenskosten für das Prozessverfahren in erster Instanz das 3,0fache der einfachen Gebühr. Eine Ermäßigung auf den 1,0fachen S. tritt bei einer endgültigen Beendigung des gesamten Verfahrens durch die Parteien ein, wobei die einzelnen gebührenrechtlich begünstigten Erledigungstatbestände in Nr. 1211 KV benannt sind. So erfolgt eine Gebührenermäßigung bei Klagerücknahme unter bestimmten Voraussetzungen (Nr. 1211a KV), bei Erlass eines Anerkenntnis- oder Verzichtsurteils und eines Urteils nach § 313a Abs. 2 ZPO (Nr. 1211b KV) oder bei Abschluss eines Vergleichs vor Gericht (Nr. 1211c KV), wenn in all diesen Fällen nicht bereits ein sonstiges Urteil vorausgegangen ist (Nr. 1211c, 2. HS KV ist auf alle Fälle der Nr. 1211a bis c KV zu beziehen, Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., KV 1211 Rz. 10 bis 15).
Eine solche Ermäßigung der Verfahrensgebühr ist hier nicht eingetreten. Das Verfahren ist zwar durch den Prozessvergleich der Parteien vom 30.6.2004 beendet worden. Zuvor ist jedoch ein klageabweisendes Versäumnisurteil gegen die Klägerin erlassen worden, was einer Gebührenermäßigung entgegensteht. Denn unter einem "sonstigen Urteil" i.S.v. Nr. 1211 KV ist auch ein Versäumnisurteil zu verstehen, wobei es keine Rolle spielt, ob sich das Urteil gegen den Kläger oder gegen den Beklagten richtet (LG Bonn JurBüro 2001, 595; wohl auch Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., KV 1211 Rz. 15, s. aber Rz. 10; a.A.; LG Koblenz JurBüro 2004, 92; AG Neuwied JurBüro 2003, 430; LG Köln JurBüro 2001, 260; AG Siegburg JurBüro 2000, 424; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Bd. 2, Nr. 1211, Rz. 5; Meyer, GKG, 6. Aufl., KV 1211 Rz. 32).
Bereits der Wortlaut des Gesetzes spricht für diese Auslegung. Der Begriff "sonstiges Urteil" ist als Abgrenzung ggü. den Urteilen zu verstehen, die nach Nr. 1211b KV gebührenrechtlich privilegiert sind, d.h. dem Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil und einem Urteil nach § 313a Abs. 2 ZPO. Ein Versäumnisurteil fällt nicht unter diese Bestimmung. Die Regelung in Nr. 1211b KV ist auf den Fall der Beendigung des gesamten Verfahrens durch Versäumnisurteil auch nicht entsprechend anwendbar ist (KG JurBüro 1999, 152; in diesem Sinn auch BVerfG JurBüro 2000, 146). Die entsprechende Anwendung einer Ausnahmevorschrift kommt nur in Betracht, wenn das dem Ausnahmesatz zugrunde liegende Prinzip es gebietet, über den Wortlaut hinaus bestimmte Fallgruppen zu erfassen (BGH v. 7.7.2004 - V ZB 61/03, BGHReport 2004, 1665 = NJW-RR 2004, 1578). Versäumnisurteile sollen nach dem Willen des ...