Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen der Feststellung einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für einen manipulierten Unfall bei Kollision im fliessenden Verkehr auf der Autobahn mit ca. 120 km/h, wobei das "Täterfahrzeug" den Fahrstreifen nach links wechselt.

Für die erforderliche Überzeugungsbildung über die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines manipulierten Unfalls kommt es nicht darauf an, dass bestimmte, nach ihrer Anzahl und/oder ihrer äusseren Erscheinungsform immer gleiche Beweisanzeichen festgestellt werden müssen; entscheidend ist vielmehr stets die Werthaltigkeit der Beweisanzeichen.

Es ist auch ohne Bedeutung, wenn sich für einzelne Indizien - isoliert betrachtet - eine plausible Erklärung finden lässt oder die Umstände jeweils für sich allein nicht den Schluss auf ein gestelltes Ereignis nahe legen.

Im Rahmen einer Unfallmanipulation werden objektiv auch erhebliche Risiken in Kauf genommen, die möglicherweise von den Beteiligten subjektiv zuvor nicht als gravierend bewertet werden; dies gilt selbst für Körperverletzungen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 751/05)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Der Senat folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

1. Der Kläger macht mit seiner Berufungsbegründung geltend:

Das LG sei in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung bemüht gewesen, die verlangte Häufung von Umständen, fälschlicherweise als Beweisanzeichen bezeichnet, für eine Manipulation festzustellen. Nachdem der Kläger zu jedem einzelnen Umstand Stellung genommen und ihn jeweils als unzutreffend bezeichnet oder unverdächtig erklärt hat, ist er der Auffassung, dass auch die Forderung nach einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls unter Berücksichtigung eventueller Auffälligkeiten vorliegend keinen Indizienbeweis für einen manipulierten Unfall erbracht habe.

2. Diese Argumentation verhilft der Berufung nicht zum Erfolg.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers auf S. 3-5 der Berufungsbegründung hat das LG auch nicht ansatzweise die Voraussetzungen der Abweisung einer Klage wegen Feststellung eines manipulierten Unfalls verkannt; auch der Ausdruck "Beweisanzeichen" ist nicht zu beanstanden, weil es sich um das deutsche Wort für "Indizien" handelt und vom LG synonym gebraucht wird (vgl. nur S. 5 des angefochtenen Urteils, aber auch S. 5 der Berufungsbegründung des Klägers).

Die Ausführungen hierzu auf S. 6-9 des angefochtenen Urteils sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch der Senat gelangt aufgrund der gebotenen Gesamtschau der gegebenen Umstände zu der Feststellung einer erheblichen Wahrscheinlichkeit einer Unfallmanipulation (§ 286 ZPO).

Dies hat zur Folge, dass die Klage zu Recht abgewiesen wurde (ständige Rechtsprechung seit BGHZ 71, 339 = NJW 1978, 2154 = VersR 1978, 242; KG, NZV 2003, 87 = VersR 2003, 610; NZV 203, 85 = VersR 2003, 613; NZV 2003, 233).

Für die erforderliche Überzeugungsbildung über die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines manipulierten Unfalls (nicht - wie der Kläger auf S. 5, vorletzter Absatz der Berufungsbegründung meint - "Indizienbeweis der Beklagten für einen manipulierten Unfall") kommt es nicht darauf an, dass bestimmte, nach ihrer Anzahl und/oder ihrer äußeren Erscheinungsform immer gleiche Beweisanzeichen festgestellt werden müssen. Es ist auch ohne Bedeutung, wenn sich für einzelne Indizien - isoliert betrachtet - eine plausible Erklärung finden lässt oder die Umstände jeweils für sich allein nicht den Schluss auf ein gestelltes Ereignis nahe legen. Entscheidend ist vielmehr stets die Werthaltigkeit der Beweisanzeichen (ständige Rechtsprechung, vgl. KG, Urt. v. 29.3.2004 - 22 U 201/03; vom 8.9.2005 - 22 U 233/04; KG KGReport Berlin 2005, 851; OLG Hamm ZfS 2005, 539) und die Gesamtschau der Umstände die mehr für eine Manipulation als für ein zufälliges Ereignis sprechen (vgl. nur OLG Köln, Urt. v. 13.2.1994 - 12 U 206/93, r+s 1994, 212, sowie Urt. v. 5.6.1998 - 19 U 269/97; OLG Koblenz, Urt. v. 4.10.2005 - 12 U 1114/04, NJW-RR 2006, 96).

Im Streitfall hat das LG hinreichend werthaltige Indizien für ein gestelltes Unfallgeschehen festgestellt.

Dies wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger jeden Umstand einzeln als unzutreffend, harmlos oder unauffällig zu erklären versucht.

Insoweit sei nur angemerkt:

Unter 1. verkennt der Kläger dass die "Klasse" eines Fahrzeugs unabhängig von dessen Zeitwert ist; zudem werden gehäuft auch Fahrzeuge der "Mittelklasse" als "Opferfahrzeuge" eingesetzt (vgl...

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