Leitsatz (amtlich)

Im Fall der Zuwiderhandlung gegen ein tituliertes wettbewerbsrechtliches Unterlassungsgebot beginnt der Lauf der Verjährungsfrist gem. Art. 9 Abs. 1 Satz 3 EGStGB grundsätzlich mit der Beendigung der behaupteten Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot. Dies gilt auch dann, wenn die Unterlassungsverpflichtung die Vornahme von Handlungen - insbesondere organisatorische Maßnahmen - umfasst, um die Beachtung des Gebots zu gewährleisten (a.A.: OLG Hamburg, Beschl. v. 6.5.2009 - 5 W 33/09).

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 09.09.2011; Aktenzeichen 102 O 265/08)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 28.9.2011 gegen den Beschluss der Kammer für Handelssachen 102 des LG Berlin vom 9.9.2011 - 102 O 265/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Gläubigerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.400 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Auf Antrag der Gläubigerin hat das LG Berlin der Schuldnerin im Wege der einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 2.12.2008 u.a. untersagt, im Rahmen der Akquise von Pre-Selection-Kunden zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, ...arbeite mit der ...zusammen.

Den Antrag der Gläubigerin vom 23.4.2009 auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Schuldnerin wegen Zuwiderhandlungen gegen das Unterlassungsgebot hat das LG Berlin mit Beschluss vom 6.7.2010 zurückgewiesen.

Nachdem das LG der sofortigen Beschwerde der Gläubigerin nicht abgeholfen hat, hat das KG (24. Zivilsenat) mit Beschluss vom 5.5.2011 den Beschluss des LG vom 6.7.2010 aufgehoben und es dem LG übertragen, das Ordnungsmittelverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats fortzuführen und über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.

Nach Durchführung einer Beweisaufnahme hat das LG den Ordnungsmittelantrag mit Beschluss vom 9.9.2011 erneut zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei Verjährung gem. Art. 9 EGStGB eingetreten.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Gläubigerin mit der sofortigen Beschwerde.

II. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist gem. §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 ZPO statthaft und zulässig, aber nicht begründet.

1. Hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot durch eine während eines Telefongesprächs mit J.G.aufgestellte Behauptung einer Zusammenarbeit von ...mit der ...ist - wie das LG zu Recht angenommen hat - Verfolgungsverjährung eingetreten.

Die Frage, ob dieses Vollstreckungshindernis besteht, ist nach Art. 9 Abs. 1 EGStGB zu beurteilen (vgl. BGH GRUR 2005, 269; BGH NJW-RR 2007, 863). Danach beträgt die Verjährungsfrist zwei Jahre und beginnt, sobald die Handlung beendet ist (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 EGStGB).

a) Im vorliegenden Fall hat der Lauf der Verjährungsfrist im Zeitpunkt der behaupteten Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot, also spätestens im April 2009, begonnen. Die Verjährungsfrist ist mithin im April 2011 abgelaufen.

Der Auffassung, die Verfolgungsverjährung beginne nicht zu laufen, wenn der Schuldner aufgrund des ausgesprochenen Unterlassungsgebots auch positive Handlungen vorzunehmen, insbesondere organisatorische Maßnahmen zu ergreifen habe, diesen Verpflichtungen aber nicht genüge, weil dann rechtlich ein Verstoß gegen das Unterlassungsgebot in Form eines Dauerverstoßes vorliege (so: OLG Hamburg, Beschl. v. 6.5.2009 - 5 W 33/09 = MD 2010, 312), ist jedenfalls für die vorliegende Sachverhaltskonstellation nicht zu folgen.

Der Schuldner eines Unterlassungsgebots hat zwar alles zu tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Verletzungen des Gebots zu verhindern. Seine Verpflichtung umfasst die Vornahme von Handlungen vor allem auch dann, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann. (vgl. BGH GRUR 1993, 415 - Straßenverengung; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rz. 6.7)

Dementsprechend haben der Schuldnerin im vorliegenden Fall zweifelsohne organisatorische Maßnahmen innerhalb ihres eigenen Unternehmens und im Verhältnis zu Dritten, die sie mit der telefonischen Kundenakquise betraut, oblegen, um die Einhaltung der Unterlassungsverpflichtung zu gewährleisten.

Der Grundsatz, der Verjährungsbeginn gem. Art. 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 EGStGB hänge maßgeblich von der Pflichtensituation des Schuldners ab, so dass die Verjährung nicht beginnen könne, wenn ein Schuldner aufgrund eines Urteils verpflichtet sei, tätig zu werden, aber pflichtwidrig untätig bleibe und die Pflichtensituation damit fortbestehe (vgl. BGH NJW-RR 2007, 863), rechtfertigt die Annahme eines anderen Verjährungsbeginns als den Zeitpunkt des behaupteten Verstoßes im vorliegenden Fall nicht.

Die Verpflichtung der Schuldnerin besteht maßgeblich in einem Unterlassen.

Dem Zwangsvollstreckungsverfahren, in dem die oben genannte Entscheidung des BGH (NJW-RR 2007, 863) getroffen worden ist, hat demgegenüber ein Urteil zugrunde gelegen, in dem der Schuldner nicht nur zur Duldung der Vornahme best...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge