Leitsatz (amtlich)
Ein nach Abgabe einer Verteidigungsanzeige im schriftlichen Vorverfahren erklärtes Anerkenntnis ist nicht mehr "sofort" i.S.v. § 93 ZPO.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 18.07.2005; Aktenzeichen 8 C 527/04) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 3.8.2005 wird der Beschluss der Abt. 8 des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 18.7.2005 abgeändert:
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens bei einem Beschwerdewert von bis zu 1.400 EUR zu tragen.
Gründe
Die gem. den §§ 91a Abs. 2, 567 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Dem Beklagten sind die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, weil er den Kautionsrückzahlungsanspruch nicht "sofort" i.S.d. § 93 ZPO anerkannt hat.
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war über die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dem entspricht es regelmäßig, dass die Partei die Kosten zu tragen hat, die sie nach den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der §§ 91 ff. ZPO zu tragen gehabt hätte, wenn eine Erledigung nicht eingetreten wäre, wobei auch der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu beachten ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 91a Rz. 24). Danach hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil der Beklagte kein sofortiges Anerkenntnis i.S.d. § 93 ZPO abgegeben hat.
Zwar hat das AG zu Recht angenommen, dass der Beklagte zur Klage keine Veranlassung gegeben hat. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte vor Klageerhebung zur Zahlung der Kaution aufgefordert worden ist. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen, die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet worden sind. Soweit die Klägerin mit der Beschwerde geltend macht, dass sie den Beklagten bereits mit Schreiben vom 22.8.2002 zur Rückzahlung der Kaution aufgefordert habe, kommt es hierauf nicht an. Denn zu dieser Zeit war der Kautionsrückzahlungsanspruch noch nicht fällig, weil das Mietverhältnis der Parteien unstreitig noch nicht beendet war. So hat die Klägerin noch mit Schreiben vom 2.9.2002 das Bestehen des Mietverhältnisses bestätigt und eine Kündigung erst mit Schreiben vom 28.4.2003 ausgesprochen.
Die Anwendung des § 93 ZPO scheitert jedoch daran, dass die Anerkenntniserklärung des Beklagten gem. Schriftsatz vom 2.3.2005 nicht als sofortiges Anerkenntnis i.S.v. § 93 ZPO gewertet werden kann. Nach überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur liegt bei Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens ein sofortiges Anerkenntnis nur vor, wenn das Anerkenntnis innerhalb der zweiwöchigen Notfrist des § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO bzw. in der innerhalb dieser Frist eingereichten Erklärungsschrift abgegeben wird, während ein nach vorheriger Erklärung der Verteidigungsbereitschaft erst in der späteren Klageerwiderung erklärtes Anerkenntnis nicht mehr als sofortiges anzusehen ist (Thomas/Putzo, ZPO; 27. Aufl., § 93 Rz. 9; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 93 Rz. 97; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 93 Rz. 6; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 93 Rz. 5; OLG Karlsruhe v. 2.12.2003 - 11 W 75/03, OLGReport Karlsruhe 2004, 513; OLG Brandenburg FamRZ 2003, 1573 [1575]; OLG Dresden Beschl. v. 8.4.2003 - 11 W 428/03, JURIS; OLG Zweibrücken v. 19.2.2001 - 4 W 2/01, OLGReport Zweibrücken 2001, 394 = NJW-RR 2002, 138; OLG Köln v. 8.8.2001 - 11 W 19/01, OLGReport Köln 2002, 160; KG v. 19.7.2001 - 2 W 68/01, KGReport Berlin 2001, 403; OLG Braunschweig JurBüro 1999, 36; OLG Celle v. 3.11.1997 - 4 W 48/97, NJW-RR 1998, 1370; OLG Nürnberg v. 12.2.1998 - 11 WF 384/98, MDR 1998, 680 = OLGReport Nürnberg 1998, 161; a.A. OLG Bamberg v. 15.3.1995 - 2 WF 12/95, NJW-RR 1996, 392; OLG Schleswig MDR 1997, 971; OLG Hamburg v. 2.11.2001 - 12 U 38/01, MDR 2002, 421; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 93 Rz. 4). Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an. Im schriftlichen Vorverfahren ist nach der Verteidigungsanzeige in der Regel kein sofortiges Anerkenntnis mehr anzunehmen. Maßgeblich ist grundsätzlich, zu welchem Zeitpunkt das Anerkenntnis erstmals abgegeben werden kann. Es muss daher bei der ersten Gelegenheit erklärt werden, bei der ein Anerkenntnisurteil ergehen kann. Der Beklagte hat im Schriftsatz vom 9.2.2005 zunächst seine Verteidigungsbereitschaft angezeigt. Erst im nachfolgenden Klageerwiderungsschriftsatz hat er das Anerkenntnis erklärt. Erklärt aber der Beklagte im erstem Schriftsatz seine uneingeschränkte Verteidigungsbereitschaft - wie vorliegend -, so kann ein späteres Anerkenntnis die Kostenfolge des § 93 ZPO nicht mehr auslösen (OLG Brandenburg FamRZ 2003, 1573 [1575]).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1481378 |
WuM 2006, 163 |
OLGR-Ost 2006, 325 |
www.judicialis.de 2005 |