Leitsatz (amtlich)
Im Verfahren über die Herausgabe einer bei der Hinterlegungsstelle hinterlegten Masse ist die Empfangsberechtigung außerhalb der Fälle des § 17 Abs. 3 BerlHintG regelmäßig durch Urkunden nachzuweisen. Handelt es sich um Privaturkunden, sind sie der Hinterlegungsstelle im Original vorzulegen.
Normenkette
BerlHintG §§ 16-18; BGB § 372; ZPO §§ 420, 435
Tenor
Der Antrag wird nach einem Geschäftswert in Höhe von 92.336,13 EUR zurückgewiesen.
Gründe
I. Am 16. Oktober 2014 verstarb W... S... (im Folgenden: Erblasser) mit letztem Wohnsitz in China. Die Antragstellerin ist seine Schwester. Der Erblasser war verheiratet, der Aufenthalt der Witwe ist unbekannt. Der Sohn des Erblassers und die Antragstellerin schlugen die Erbschaft aus jedem Berufungsgrund aus.
Der Erblasser war als Kommanditist an der T... T... Verwaltungs GmbH & Co. Wohnanlage H... KG i.L. (im Folgenden: Hinterlegerin) beteiligt. Am 6. Juni 2017 nahm die Hinterlegungsstelle des Antragsgegners auf Antrag der Hinterlegerin einen Betrag in Höhe von 92.336,13 EUR und danach nochmals 20.448,12 EUR zur Hinterlegung an. Empfangsberechtigt sei der "ausgewiesene Rechtsnachfolger nach" dem Erblasser. Bei den Summen soll es sich um das auf den Erblasser entfallende Liquidationsguthaben handeln. Es sei nicht geklärt, wer zur Entgegennahme des Guthabens berechtigt sei.
Am 11. Juni 2018 hat die Antragstellerin die Herausgabe eines Betrages in Höhe von 92.336,13 EUR bei dem Antragsgegner beantragt und sich zum Nachweis ihrer Empfangsberechtigung auf verschiedene in Kopie beigefügte Dokumente berufen, wegen deren Einzelheiten auf Blatt 80 bis 94 der Hinterlegungsakte 87 HL x/17 des Antragsgegners verwiesen wird. Der Erblasser habe ihr u.a. seine Beteiligung an der Hinterlegerin abgetreten. Dies ergebe sich aus der nur noch in Kopie vorhandenen Abtretungserklärung vom 25. September/1. Oktober 1998, Blatt 80 der Hinterlegungsakte.
Mit Schreiben vom 6. Juli 2018 hat die Hinterlegungsstelle eine Herausgabe abgelehnt, da die Antragstellerin ihre Empfangsberechtigung nicht ausreichend nachgewiesen habe. Hierzu bedürfe es der Vorlage originaler Urkunden. Die dagegen gerichtete Beschwerde vom 26. Juli 2018 hat der Antragsgegner mit am 12. September 2019 zugestelltem Bescheid vom 29. August 2018 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 12. Oktober 2018, mit der die Antragstellerin weitere Dokumente in Kopie vorgelegt hat, wegen deren Einzelheiten auf Blatt 11 bis 16 der Akte verwiesen wird.
Die Antragstellerin beantragt,
die Verfügung der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Tiergarten vom 06.07.2018, AZ 87 HL x/17 in Form des Bescheides des Präsidenten des Amtsgerichts Tiergarten vom 29.08.2018, AZ: ...... AG Tg aufzuheben und die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Tiergarten zu verpflichten, die Herausgabe des unter dem dortigen Az. 87 HL x/17 hinterlegten Geldbetrages in Höhe von EUR 92.336,13 an die Antragstellerin und Beschwerdeführerin anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.
II. 1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist statthaft, § 6 Abs. 3 BerlHintG. Er ist auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden, § 26 Abs. 1 EGGVG.
2. In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg. Die Ablehnung der Herausgabe der hinterlegten (Teil-)Masse ist im Ergebnis nicht rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten § 28 Abs. 2 S. 1 EGGVG.
Die Herausgabe einer bei der Hinterlegungsstelle hinterlegten Masse erfordert eine darauf gerichtete Herausgabeanordnung, § 16 Abs. 1 BerlHintG. Diese ergeht auf Antrag, wenn die Berechtigung des Empfängers nachgewiesen ist, § 17 Abs. 1 BerlHintG. Das ist vorliegend nicht der Fall.
a) Wer zum Empfang der Hinterlegungsmasse berechtigt ist, ist eine Frage des materiellen Rechts, die nach dem Rechtsverhältnis zu beurteilen ist, das der Hinterlegung im Einzelfall zugrunde liegt (Senat, Beschluss vom 22. April 2008 - 1 VA 16/06 - OLGreport 2008, 654, 655 Beschluss vom 20. Mai 2008 - 1 VA 7/06 - OLGreport 2008, 726, 728). Daran hat sich durch das Inkrafttreten des Berliner Hinterlegungsgesetzes vom 11. April 2011 (GVBl. S. 106) an Stelle der bis dahin geltenden Hinterlegungsordnung, § 29 BerlHintG, nichts geändert (vgl. AH-Drs. 16/3883, S. 20). Insbesondere regelt § 17 Abs. 3 BerlHintG die Empfangsberechtigung nicht abschließend (im Gegensatz etwa zu Art. 20 Abs. 1 BayHintG; hierzu: Wiedemann/Armbruster, Rpfl. 2012, 1, 3). Die Hinterlegungsstelle ist in diesen - vorliegend nicht gegebenen - Fällen nur einer Prüfung des materiellen Rechts enthoben.
Haben die Beteiligten die Herausgabe an den Empfänger nicht bewilligt oder anerkannt, § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BerlHintG, und wird auch keine rechtskräftige Entscheidung über die Berechtigung des Empfängers vorgelegt, § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BerlHintG, hat die Hinterlegungsstelle somit die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Empfan...