Leitsatz (amtlich)
Soweit Ansprüche von mit einer Prozesskostenhilfe beantragenden Partei zusammenlebenden Personen nach dem SGB II oder dem SGB XII im Hinblick auf die Bedarfsgemeinschaft (§ 9 Abs. 1 SGB II, § 36 SGB XII) mit der Partei versagt werden, sind in diesem Umfang Beträge als besondere Belastungen i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 4 ZPO in Ansatz zu bringen.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 13.02.2006; Aktenzeichen 158 F 8731/05) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 13.2.2006 aufgehoben.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Gründe
Durch Beschluss vom 10.8.2005 ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt worden; zugleich sind ihm monatliche Raten i.H.v. 60 EUR ab 1.9.2005 auferlegt worden. Mir Schriftsatz vom 8.9.2005 beantragte der Antragsteller, die Anordnung von Ratenzahlungen aufzuheben, da die Belastungen für seine mit ihm zusammenlebende Partnerin und deren Tochter nicht berücksichtigt worden seien, diese aber wegen der mit ihm bestehenden Bedarfsgemeinschaft keine Leistungen nach dem SGB II erhalte. Mit Schreiben vom 28.9.2005 teilte der Familienrichter dem Antragsteller mit, dass die Lebensgefährtin und deren Kind bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens nicht berücksichtigt werden könnten. Nachdem der Antragsteller keine Ratenzahlungen aufgenommen hatte, wies der Rechtspfleger mit dem an den Antragsteller persönlich gerichteten Schreiben vom 21.12.2005 der Rechtspfleger diesen auf das Ausbleiben der Raten hin und drohte den Entzug der Prozesskostenhilfe an, was dann durch den angefochtenen Beschluss erfolgte.
Mit der rechtzeitig eingelegten Beschwerde, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat, wendet sich der Antragsteller gegen den Entzug der Prozesskostenhilfe. Er verweist auf die Darlegungen in seinem Antrag vom 8.9.2005 und macht zusätzlich geltend, dass sich sein Einkommen durch die inzwischen geltende Steuerklasse weiter vermindert habe.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Zunächst ist der angefochtene Beschluss in verfahrensfehlerhafter Weise ergangen, da er auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht. Die Ankündigung des Entzug des Prozesskostenhilfe erfolgte lediglich dem Antragsteller persönlich gegenüber, nicht aber dem (damals bestellten) Bevollmächtigten des Antragstellers. Wäre dies erfolgt, hätte der Antragsteller auf seinen noch immer nicht beschiedenen Antrag vom 8.9.2005 hingewiesen
Der Widerruf einer gewährten Prozesskostenhilfe nach § 124 Nr., 4 ZPO ist nur zulässig, wenn der Rückstand der Raten auf einem Verschulden des Bedürftigen beruht. Das Verschulden ist unabhängig von den Feststellungen und Bewertungen des ursprünglichen Bewilligungsbeschlusses zu prüfen (BGH v. 9.1.1997 - IX ZR 61/94, MDR 1997, 396 = NJW 1997, 1077). Demzufolge ist eine Nichtzahlung insoweit nicht als verschuldet anzusehen, als die jeweils zu zahlenden Raten materiell die Leistungsfähigkeit der Partei überstiegen, sei es, dass der ursprüngliche Beschluss schon seinerzeit nicht der Leistungsfähigkeit der Partei entsprochen hat, weil bei der Festsetzung der Raten das Gericht oder auch der Antragsteller selbst die Fähigkeit, zu den Prozesskosten durch Zahlung von Raten beizutragen, falsch eingeschätzt haben, insb., weil die Festsetzung der Ratenhöhe zum Nachteil der Partei auf unvollständigen Angaben beruhte, sei es, dass sich die Einkommensverhältnisse geändert haben, selbst wenn - anders als hier - die prozesskostenhilfebedürftige Partei keinen Antrag auf Herabsetzung der Raten nach § 120 Abs. 4 ZPO gestellt hat (BGH v. 9.1.1997 - IX ZR 61/94, MDR 1997, 396 = NJW 1997, 1077).
Die Festsetzung einer Rate von 60 EUR war zu hoch, da sie nicht die durch die Änderungen zum SGB II zum 1.1.2005 bedingten veränderten sozialrechtlichen Bezüge berücksichtigt. Die Prozesskostenhilfe als Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege (BVerfGE 9, 258; BVerfGE 35, 355) orientiert sich hinsichtlich der einer Partei zumutbaren Belastungen, wie sich aus den Verweisungen auf das SGB XII ergibt, an der Sozialhilfe. Wenn aber aus der Sicht des SGB II und des SGB XII das Einkommen einer Partei nach den in § 115 Abs. 2 vorgesehenen Abzügen nicht in vollem Umfang für deren eigenen Lebensbedarf zur Verfügung steht, sondern auch für weitere Personen einer - in § 115 ZPO nicht erwähnten - Bedarfsgemeinschaft einzusetzen ist, verbietet es sich, das Einkommen ungeschmälert als einzusetzenden Einkommen im Sinne der Prozesskostenhilfe in Ansatz zu bringen.
Insofern ist die vom Richter in seiner Verfügung vom 28.9.2005 mitgeteilte Rechtsansicht nicht zutreffend. Die Berechnung des Antragstellers - die seine Lebensgefährtin und deren Kind Angehörigen, denen ggü. eine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht, gleichstellt - ist allerdings nicht zutreffend. Auszugehen ist vielmehr von dem Bedarf dieser beiden nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II und Sozialgeld); hierbei haben jedoch die (anteiligen) Wohnko...