Entscheidungsstichwort (Thema)
Kommissarische Besetzung einer kleinen Strafkammer bei (sog. Ersatz-) Erprobung
Orientierungssatz
Orientierungssätze:
1. Vom Gebot des § 21f Abs. 1 i. V. m. § 76 Abs. 1 Satz 1 2. Var. GVG, wonach bei den kleinen Strafkammern ein Vorsitzender Richter (vgl. § 19a DRiG) den Vorsitz führt, kann im Falle eines unabweisbaren, rechtlich begründeten Bedürfnisses abgewichen werden.
2. Ein solches ist z. B. gegeben, wenn für eine planmäßig endgültige Anstellung als Richter in Betracht kommende Assessoren auszubilden sind, wenn vorübergehend ausfallende planmäßige Richter, deren Arbeit von den im Geschäftsverteilungsplan bestimmten Vertretern neben den eigenen Aufgaben nicht bewältigt werden kann, vertreten werden müssen, wenn ein zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall aufzuarbeiten ist oder aber, wenn planmäßige Richter unterer Gerichte an obere Gerichte abgeordnet werden, um ihre Eignung zu erproben.
3. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die kommissarische Besetzung nicht auf einem strukturellen personellen Engpass beruht, sondern Ausfluss einer auch in der Justiz erforderlichen geordneten Personalplanung und -entwicklung ist.
4. Etwas anderes kann gelten, wenn die Abordnung unter dem Gesichtspunkt der Erprobung ungeeignet, dysfunktional oder gar rechtswidrig erscheint.
Normenkette
StGB §§ 22-23, 263, 53; StPO § 338 Nr. 1; GVG § 21f Abs. 1, § 76 Abs. 1 S. 1 Alt. 2; DRiG § 19a
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 25.01.2023; Aktenzeichen (560) 253 Js 3386/18 Ns (21/21)) |
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. Januar 2023 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.
Die Revisionen bleiben aus den in der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft genannten Gründen ohne Erfolg. Die Schriftsätze der Verteidigerin und des Verteidigers vom 23. Juni 2023 lagen vor, gaben aber zu einer anderen Bewertung keinen Anlass. Die in beiden Revisionen erhobenen und ausgeführten Sachrügen betreffen überwiegend - mit zum Teil urteilsfremden Ausführungen - die Beweiswürdigung, in die einzugreifen hier kein Anlass besteht.
1. Zunächst tragen die Urteilsfeststellungen die rechtliche Würdigung der Taten als Betrug in zwei Fällen (X) bzw. Beihilfe zum Betrug (Y). Unzutreffend führt die Revision der Angeklagten X aus, deren Beihilfehandlung werde im Urteil nur durch einen Satz des Inhalts festgestellt, dass die Angeklagte ihr Konto zur Verfügung stellte und die Zahlungen "in Empfang nahm" (UA S. 6/7). Die Revision verschweigt weitere Ausführungen zum äußeren (UA S. 8) und inneren Tatbestand (UA S. 7). Im Übrigen bilden die Urteilsgründe eine Einheit (vgl. BGH AfP 78, 103; Beschluss vom 14. April 2010 - 1 StR 131/10 - und Urteil vom 11. Februar 1998 - 3 StR 546/97 - [jeweils bei juris]; Senat, Beschlüsse vom 25. April 2015 - 3 Ws (B) 183/15 - und vom 31. Oktober 2014 - 3 Ws (B) 538/14 -; KG StV 2013, 491; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 66. Aufl., § 267 Rn. 3), und das kollusive Zusammenwirken der Angeklagten wird in der Beweiswürdigung substantiell ausgeführt und belegt.
2. Das Landgericht hat keinesfalls "spekulativ" (RB Y S. 4), sondern nachvollziehbar begründet, warum es davon überzeugt ist, dass es sich bei den auf dem Konto der Angeklagten Y eingegangenen Beträgen von 27.992,49 und 53.273,21 Euro um einen der Angeklagten X zustehenden Betrag (Schenkung oder Erbschaft [UA S. 19/20]) sowie um eine Erbschaft gehandelt hat und sich die Angeklagte Y sogar mit dem zum Nachteil der öffentlichen Hand begangenen Betrug "gebrüstet" (UA S. 25, 18) hat. Dass die Kammer hierbei einem Zirkelschluss unterliegt (RB X S. 9), kann der Senat nicht erkennen; die Argumentation erscheint im Gegenteil logisch induktiv: Die Strafkammer trägt unterschiedliche Umstände zusammen, aus deren Gesamtheit sie folgert, der Angeklagten X zustehende Geldbeträge seien zur Verschleierung der Finanzflüsse nicht ihrem, sondern dem Konto der Mitangeklagten gutgeschrieben worden. Von der Verteidigung vermisste "Alternativszenarien" hat die Kammer ausreichend erörtert und verworfen (UA S. 23). Die Aussage der Belastungszeugin Z ist sorgfältig und ausreichend gewürdigt worden (UA S. 18/19); dass deren Aussage "praeter legem" durch einen argumentativen Kniff "gerettet" werden musste (RB X S. 9), kann der Senat nicht nachvollziehen.
3. Einer vertieften Erläuterung bedarf lediglich die Verfahrensrüge.
Die Beanstandung, die Strafkammer sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 338 Nr. 1 StPO), ist jedenfalls unbegründet. Das dem Senat unterbreitete Verfahrensgeschehen offenbart namentlich keinen Verstoß gegen § 21f Abs. 1 i. V. m. § 76 Abs. 1 Satz 1 2. Var. GVG, wonach bei den kleinen Strafkammern ein Vorsitzender Richter (vgl. § 19a DRiG) den Vorsitz führt. Zwar hatte den Vorsitz hier kein Vorsitzender Richter am Landgericht inne, sondern eine Richterin am Amtsgericht als so genannte Hilfsrichterin. Dies erweist sich indes als nicht verfahrensfehlerhaft, weil es hierfür ein unabweis...