Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 11.05.2009; Aktenzeichen (517) 94 Js 988/08 (18/08))

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des früheren Angeschuldigten wird der Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2009 dahin abgeändert, dass die dem früheren Angeschuldigten zu erstattenden notwendigen Auslagen auf weitere 36,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 8. März 2009 festgesetzt werden.

Der Beschwerdeführer hat 16,5 % der Gebühr und der gerichtlichen Auslagen seines Rechtsmittels zu tragen. Von den ihm im Beschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse 83,5 % zur Last.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 221,34 EUR.

 

Gründe

Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen des Vorwurfs des schweren Raubes erhoben. Im Ermittlungsverfahren hatte sein Verteidiger die den Tatvorwurf bestreitende Einlassung des Angeklagten zu den Akten gereicht; des weiteren hat er in einem Antrag auf mündliche Haftprüfung unter Bezugnahme auf diese Einlassung den dringenden Tatverdacht bestritten. Das Landgericht hat nach Vernehmung einer Zeugin im Zwischenverfahren, die auch der Überprüfung der Einlassung des Angeschuldigten gedient hat, rechtskräftig die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers der Landeskasse auferlegt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Rechtspflegerin im Kostenfestsetzungsverfahren (§ 464b StPO) die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers auf einen Betrag von 370,69 EUR festgesetzt. Die darüber hinaus geltend gemachte Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG, die der Verteidiger auf 186,00 EUR zuzüglich anteiliger Umsatzsteuer (35,34 EUR) bemessen hat, hat die Rechtspflegerin abgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des früheren Angeschuldigten hat weitgehend Erfolg.

1. Das als "Erinnerung" bezeichnete Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde zu behandeln (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 300 StPO). Es ist zulässig, da es fristgerecht eingelegt worden ist und der Beschwerdewert in Höhe von 221,34 EUR die Wertgrenze des § 304 Abs. 3 StPO übersteigt.

2. Das Rechtsmittel ist auch zum überwiegenden Teil begründet. Der Verteidiger hat die Gebühr nach Nr. 4141 RVG (sog. Erledigungsgebühr) verdient, allerdings nicht in dem von ihm geltend gemachten Umfang, sondern nur in Höhe der Rahmenmitte.

a) Die Erledigungsgebühr gemäß Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG entsteht, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich wird und das Gericht beschließt, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen.

Nach der Rechtsprechung des Kammergerichts muss die anwaltliche Mitwirkung für die Beendigung des Verfahrens ursächlich oder jedenfalls mitursächlich gewesen sein, wobei keine kleinliche Kausalitätsprüfung vorzunehmen ist (vgl. Beschlüsse vom 24. Oktober 2006 - 4 Ws 131/06 - und 28. April 1999 - 4 Ws 47/99 - [zu § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BRAGO], beide bei juris). Die Beweislast, dass die Tätigkeit des Verteidigers für die Verfahrenserledigung nicht förderlich war, trägt als Gebührenschuldner die Staatskasse (vgl. Senat AGS 2009, 324).

Der Senat hält an dieser Auffassung fest. Das Erfordernis der (Mit-)Ursächlichkeit ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut, wonach die Hauptverhandlung "durch" die anwaltliche Mitwirkung entbehrlich werden muss. Abs. 2 der Nr. 4141 VV RVG stellt diesen in Abs. 1 normierten Grundsatz nicht in Frage, sondern gibt hierzu lediglich eine Beweisregel an die Hand. In den praktischen Konsequenzen sind indes die Unterschiede zur herrschenden Meinung, die auf das Erfordernis der (Mit-)Kausalität verzichtet und jede Tätigkeit genügen lässt, die auf die Förderung des Verfahrens gerichtet und zur Verfahrensbeendigung "objektiv geeignet" ist (vgl. etwa OLG Stuttgart AGS 2010, 292; BGH (9. Zivilsenat) AGS 2008, 491 [zu Nr. 5115 VV RVG]; jew. m.w.Nachw.), gering.

Soweit in der früheren Rechtsprechung des Kammergerichts für die Erfüllung des Gebührentatbestands unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 15/1971, S. 227 f.) darüber hinaus verlangt worden ist, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts "intensiv und zeitaufwändig" gewesen sein muss (vgl. Beschluss vom 24. Oktober 2006 aaO.), hält der seit 2007 für Anträge und Rechtsmittel nach dem RVG allein zuständige Senat hieran nicht fest. Die Gesetzesmaterialien belegen, aus welchen Motiven der Gesetzgeber den Gebührentatbestand geschaffen hat, weil er nämlich intensive und zeitaufwändige Tätigkeiten honorieren wollte. Dass er ausschließlich solche Tätigkeiten vergütet wissen wollte, hat jedoch im Wortlaut des Gesetzes keinen Niederschlag gefunden. Zudem ist die Bestimmung, was intensiv und zeitaufwändig ist, im Einzelfall schwierig. Derartige Streitigkeiten in das Kostenfestsetzungsverfahren zu verlagern, hieße, den gebührenrechtlichen Anreiz zu mindern, der gerade mit der Regelung der Nr. 4141 VV RVG geschaffen werden sollte.

An diesen Maßstäben gemessen ist die hier geltend gemachte Erledigungs...

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