Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 20.08.2013; Aktenzeichen (514) 83 Js 960/06 KLs (7/12)) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Angeklagten wird festgestellt, dass der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 20. August 2013 rechtswidrig war.
Insoweit trägt die Landeskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
2. Die Beschwerde der Angeklagten gegen die Nichtabhilfeentscheidungen des Landgerichts Berlin vom 20. und 21. August 2013 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe
Über die Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin, die der Beschwerdeführerin Geldwäsche in sieben Fällen und drei Mitangeklagten u. a. gewerbs- und bandenmäßigen Betrug vorwirft, ist vor der 14. großen Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Berlin seit dem 27. Februar 2013 an 19 Verhandlungstagen verhandelt worden. Nach Überschreitung der gemäß § 229 StPO zulässigen Unterbrechungsdauer ist die Verhandlung zuletzt nicht fortgesetzt worden. Am 11. November 2013 soll mit der Verhandlung neu begonnen werden.
Nach dem 15. Verhandlungstag hat sich die Angeklagte einer ambulanten Operation unterzogen; ihr ist ein Plattenepithelkarzinom - ein Hauttumor - am rechten Fuß entfernt worden. Zur Schmerzbehandlung ist ihr in der Folge Tramal 100, ein Medikament aus der Gruppe der Opioide, verschrieben worden. Am 16. Verhandlungstag, dem 5. August 2013, ist sie ausgeblieben, weshalb die Hauptverhandlung unterbrochen, der Beginn der Fristhemmung nach § 229 Abs. 3 StPO (durch lediglich formlose Erklärung des Vorsitzenden) festgestellt und die amtsärztliche Untersuchung der Angeklagten angeordnet worden ist. Die noch am selben Tag durch den Facharzt für Rechtsmedizin P. vorgenommene Untersuchung hat ergeben, dass die Angeklagte aufgrund unmittelbarer Operationsfolgen und wegen der Einwirkung starker Schmerzmittel verhandlungsunfähig sei. Wie lange die Verhandlungsunfähigkeit andauere, lasse sich nicht sicher sagen, mit der Wiederherstellung der Verhandlungsfähigkeit sei bei komplikationslosem Verlauf "in absehbarer Zeit (nach ca. einem Monat)" zu rechnen. Die Angeklagte hat in der Folge sukzessive ärztliche Atteste ihres Hausarztes Dr. D. eingereicht, die sie infolge einer Kreislaufdysregulation bis zum 9., 18. bzw. 25. August 2013 als verhandlungsunfähig ausgewiesen haben.
Am 14. August 2013 hat die Kammer erneut angeordnet, dass die Angeklagte auf ihre Verhandlungsfähigkeit untersucht wird. In einem hierauf geführten Telefonat hat der beauftragte Rechtsmediziner P. dem Kammervorsitzenden mitgeteilt, die Angaben der Angeklagten zu ihrem Befinden seien mit den Mitteln eines Hausbesuchs nicht zu widerlegen. Die verabreichte Schmerzmitteldosis sei möglicherweise zu hoch.
Zu dem Hauptverhandlungstermin am 19. August 2013 ist die Angeklagte benommen und kaum ansprechbar im Rollstuhl erschienen und musste noch vor Verhandlung zur Sache in das Krankenzimmer verbracht und durch den gerufenen Notarzt in ein Krankenhaus eingewiesen werden. Der Pfleger hat ihren Zustand als mit Schmerzmitteln "zugedröhnt" beschrieben. In einem am selben Tag geführten Telefonat hat Dr. D. der Berichterstatterin mitgeteilt, die Wundheilung verlaufe günstig, die Angeklagte sei aber durch die Medikamente noch stark beeinträchtigt. Am 20. August 2013 hat die Verteidigerin berichtet, die Angeklagte habe einen leichten Hirnschlag erlitten, und sie leide an Hemihypästhesie (halbseitige Empfindungsstörung), Atemnot und möglicherweise an einer chronischen Bronchitis. Diese Diagnosen stammten von dem Ehemann der Angeklagten, dem hier mitangeklagten Dr. H., der Arzt ist.
Die Strafkammer hat mit Beschluss vom selben Tag - ersichtlich ohne Anhörung des Sachverständigen zum Untersuchungskonzept - zur "Klärung der Verhandlungsfähigkeit und zur Klärung der Frage, ob sie sich selbst vorsätzlich und schuldhaft in einen die Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt hat", die vorübergehende Unterbringung der Angeklagten im Bundeswehrkrankenhaus Berlin für bis zu fünf Tage angeordnet. Der Beschluss lautet auszugsweise wie folgt:
"Die Angeklagte soll darauf untersucht bzw. beobachtet werden,
- ob wegen der behandelten Hautveränderung Therapiemaßnahmen nötig sind, wenn ja welche?
- ob und in welcher Dosierung sie Medikamente einnimmt und ob diese notwendig oder geboten sind. Wenn ja, in welcher Konzentration und wie lange noch? Es sollen Blut- bzw. Urinkontrollen durchgeführt werden, um den Medikamentenspiegel, insbesondere im Hinblick auf Diazepame (Valium, Benzodiazepin) und Morphine (Tramadol), zu kontrollieren,
- wie ihr allgemeiner Zustand (Erbrechen, Übelkeit, Schwindel, Müdigkeit, Kreislaufdysfunktion) ist, insbesondere sollen Blutdruckmessungen durchgeführt werden. Beruht der Zustand auf der Einnahme von Medikamenten? Röntgen- und computergesteuerte Untersuchungsmaßnahmen sind zugelassen."
Die Angeklagte hat sich in der Folge freiwillig in das Bundeswehrkrankenhaus begeben. Die meisten der dort durch den Sachverständigen Oberstarzt Dr. B. beabsichtigten Untersuchungen habe...