Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Geldbuße von nicht mehr als 100 Euro findet ein zeitlich vor dem Urteil entstandenes Verfahrenshindernis im Zulassungsverfahren nur dann Beachtung, wenn die Zulassungsvoraussetzungen nach § 80 Abs. 1 OWiG unter besonderer Berücksichtigung der Beschränkungen nach § 80 Abs. 2 OWiG gegeben sind.
2. Bei der Frage, ob bereits vor dem Urteil Verjährung eingetreten ist, handelt es sich grundsätzlich um eine im Zulassungsverfahren nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG unbeachtliche Verfahrensfrage.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 12.07.2018; Aktenzeichen 345 OWi 237/18) |
Tenor
Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 12. Juli 2018 wird verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines nach § 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG als zurückgenommen geltenden Rechtsbeschwerde zu tragen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Gründe
Der Senat merkt lediglich an:
1. a) Ein Verfahrenshindernis (hier: der behauptete Eintritt der Verjährung infolge der unwirksamen Zustellung des Bußgeldbescheides an den früheren Verteidiger) findet nach § 80 Abs. 5 OWiG nur Berücksichtigung, wenn es nach Erlass des Urteils eingetreten ist Dies ist vorliegend, wie der Verteidiger selbst ausführt, nicht der Fall.
b) Bei einer Geldbuße von nicht mehr als 100 Euro - wie im vorliegenden Fall - findet ein vor dem Urteil entstandenes Verfahrenshindernis im Zulassungsverfahren nur dann Beachtung, wenn - entsprechend dem Sinn des § 80 OWiG - die Zulassungsvoraussetzungen nach § 80 Abs. 1 OWiG unter besonderer Berücksichtigung der Beschränkungen nach § 80 Abs. 2 OWiG gegeben sind. (BGHSt 36, 59; BTDrucks. 10/2652 S. 30; Hadamitzky in Karlsruher Kommentar, OWiG 5. Aufl., § 80 Rn. 60 m. w.N; Seitz in Göhler, OWiG 17. Aufl., § 80 Rn. 24)
Dies ist - anders als der Verteidiger meint - nicht der Fall. Denn die Zulassungsgründe nach § 80 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 OWiG liegen nicht vor.
Eine Gehörsverletzung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ist erkennbar nicht gegeben.
Der weitere Zulassungsgrund nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG - zur Fortbildung des Rechts - führt im Rahmen der vom Betroffenen erhobenen Sachrüge nur zu der Prüfung, ob eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und abstrakte Frage des materiellen Rechts aufgeworfen worden ist, die die Zulassung gebietet. Eine solche ist weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich. Denn die Prüfung einer bereits vor Urteil eingetretener Verjährung betrifft eine im Zulassungsverfahren nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG unbeachtliche Verfahrensfrage.
Lediglich im Falle der Zulassung des Antrages nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG wäre im Rahmen einer Prüfung der Begründetheit der Rechtsbeschwerde zu klären gewesen, ob Verjährung und damit ein bereits von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis eingetreten war.
c) Nur im Falle einer Geldbuße von über 100 Euro wäre im Rahmen der Prüfung der Zulassungsgründe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zu klären gewesen, ob im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Verfahrenshindernis eine klärungsbedürftige Frage des formellen Rechts besteht, die es gebietet, die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, um hierzu ein klärendes Wort zu sprechen (BTDrucks. 10/2652 S. 30; Hadamitzky aaO.; Göhler aaO; stellv.: OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 - 311 SsRs 126/11 -, juris (Geldbuße von 110 Euro); OLG Hamm, Beschluss vom 17. September 1987 - 4 Ss OWi 848/87 -, juris im Falle einer Geldbuße von 100 DM Zulassung zur Fortbildung des Rechts nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG; Wertgrenze des § 80 Abs. 2 Nr. 1 a.F. OWiG 75 DM).
Ein Fall einer Geldbuße von über 100 Euro liegt - so aber offensichtlich die Auffassung des Verteidigers - nicht vor.
2. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs unter Hinweis darauf, dass das Amtsgericht einen Beweisantrag zum Nachweis des Verfahrenshindernisses der Verjährung in der Hauptverhandlung weder mündlich noch schriftlich beschieden habe und auch die Urteilsgründe eine Auseinandersetzung mit dem Antrag des Betroffenen vermissen ließen, ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.
Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör bedeutet, dass dem Betroffenen Gelegenheit gegeben werden muss, sich dem Gericht gegenüber zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen, und dass das Gericht seine Darlegungen zur Kenntnis nehmen und in seine Erwägungen einbeziehen muss (ständige Rspr. des Senats: zuletzt Beschluss vom 20. September 2018 - 3 Ws (B) 234/18 -, juris; KG, Beschluss vom 30. März 2000 - 5 Ws (B) 177/00 -).
Diese Anforderungen ist entsprochen worden.
Soweit der Verteidiger vorträgt, dass die Urteilsgründe keine Begründung enthalten, warum das Gericht der Beweisanregung nicht nachgekommen ist, trifft dies nicht zu. Vielmehr setzt sich das Gericht mit dem Vortrag des Verteidigers auf mehreren Seiten auseinander (vgl. UA S. 7 bis 9). Auch die vom Verteidiger vermisste mü...