Leitsatz (amtlich)
Das Einziehen einer überhöhten Testamentsvollstreckervergütung zur Unzeit rechtfertigt die Annahme eines wichtigen Grundes i.S.d. § 2227 Abs. 1 BGB für die Entlassung des Testamentsvollstreckers.
Verfahrensgang
AG Berlin-Wedding (Beschluss vom 14.09.2010; Aktenzeichen 63 VI 27/10 TVZ) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. und 3. wird der Beschluss des AG Wedding vom 14.9.2009 aufgehoben.
Das AG wird angewiesen, die Beteiligte zu 1) aus dem Amt des Testamentsvollstreckers zu entlassen.
Die Beteiligte zu 1) hat den Beteiligten zu 2) und 3) die ihnen entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 470.000 EUR.
Gründe
I. Der am 1.D.2009 verstorbene Erblasser hatte mit notariellem Testament vom 17.1.2006 die Beteiligten zu 2) und 3) zu Vorerben eingesetzt und die Beteiligte zu 1) zur Testamentsvollstreckerin u.a. mit der Aufgabe, seinen umfangreichen Grundbesitz in Berlin zu verwalten, ernannt. Die Beteiligten zu 2) und 3) haben die Entlassung der Beteiligten zu 1) als Testamentsvollstreckerin beantragt, da diese bei Fehlen der persönlichen und sachlichen Kompetenz planlos handele, versucht habe, ein überhöhtes Honorar abzurechnen und einzuziehen und auch sonst ihre Pflichten bei der Verwaltung verletzt habe.
Die Beteiligte zu 1) erteilte unter dem 7.9.2010 eine "Liquidation für die Testamentsvollstreckung" und stellte ein "Voraus" i.H.v. 104.944,80 EUR in Rechnung. In der Folge versuchte die Beteiligte zu 1) durch Überweisungen von Nachlasskonten einen entsprechenden Betrag einzuziehen. Am 13.9.2010 wurde ihr durch eine einstweilige Verfügung des LG Berlin - 2 O 445/10 - untersagt, sich für ihre Tätigkeit als Testamentsvollstreckerin vor Ablauf des 21.12.2010 eine Vergütung oder einen Vergütungsvorschuss aus dem Nachlass zu entnehmen.
Das Nachlassgericht hat es durch Beschluss vom 14.9.2010 abgelehnt, die Beteiligte zu 1) aus dem Amt des Testamentsvollstreckers zu entlassen und die für die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses gemäß Antrag der Beteiligten zu 1) erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Auf den Beschluss des Nachlassgerichts wird wegen der Einzelheiten, insbesondere hinsichtlich des Weiteren Sachvortrags, Bezug genommen (Bl. 82 - 88 d.A.).
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) vom 18.9.2010, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen.
II. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) ist statthaft (§ 58 Abs. 1 FamFG), insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 63, 64 f. FamFG). Die Beteiligten zu 2) und 3), deren Anträge zurückgewiesen wurden, sind gem. § 59 Abs. 2 FamFG beschwerdeberechtigt. Der Beschwerdewert gem. § 61 Abs. 1 FamFG ist erreicht.
Nach neuem Recht ergibt sich die Zuständigkeit des OLG als Beschwerdegericht aus § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG n.F. i.V.m. § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 GVG n.F.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG) ist nicht notwendig, weil vorliegend letztendlich nur Rechtsfragen entscheidungserheblich sind (in diesem Sinne OLG Stuttgart, FGPrax 2010, 83 = FamRZ 2010, 674). Dies bedarf vorliegend keiner weiteren Vertiefung, da über die Beschwerde in Erbscheinsverfahren nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG unter Anwendung der Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug auch dann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, wenn erstinstanzlich ohne Verstoß gegen die §§ 32 ff. FamFG ein Termin und eine persönliche Anhörung der Beteiligten nicht stattgefunden hat (OLG Schleswig, FGPrax 2010, 106 ff.). Der Senat schließt sich der eingehenden und am Gesetzeszweck orientierten Begründung des OLG Schleswig vollinhaltlich an (zustimmend auch Sternal in seiner Urteilsanmerkung, a.a.O., 108 f.).
§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG kommt daher nur zur Anwendung, wenn nach den einschlägigen Verfahrensvorschriften ein Termin, eine mündliche Verhandlung oder sonstige Verfahrenshandlungen durchzuführen sind, was vorliegend nicht der Fall ist.
Die vom AG getroffene Entscheidung hält der Überprüfung in der Sache nicht stand, soweit sie die versuchte vorfristige Entnahme einer Verwaltervergütung im konkreten Fall für eine Entlassung nicht als ausreichend erachtet hat.
Nach § 2227 Abs. 1 BGB kann der Testamentsvollstrecker auf Antrag eines Beteiligten aus dem Amt entlassen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Das Gesetz gibt als Beispiele eine grobe Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers oder dessen Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung an. Neben den im Gesetz genannten Beispielsfällen kann ein wichtiger Grund ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Testamentsvollstreckers auch dann vorliegen, wenn dieser durch sein persönliches Verhalten begründeten Anlass zu der Annahme gibt, dass ein längeres Verbleiben im Amt der Ausübung des letzten Willens des Erblassers hinderlich sei oder dass sich dadurch eine Schädigung oder eine erhebliche Gefährdung der Interessen der am Nachlass Beteiligten ergeben könnte. Auch ein nicht...