Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 01.08.2010) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 31. August 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Betroffenen wegen Zuwiderhandlung gegen § 24 a Abs. 2 Satz 1 und 2 StVG nach § 24 a Abs. 4 StVG eine Geldbuße von 250,00 Euro verhängt, gemäß § 25 Abs. 1 StVG ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet und nach § 25 Abs. 2 a StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen. Auf den Einspruch des Betroffenen hat ihn das Amtsgericht wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen die oben genannten Vorschriften zu einer Geldbuße von 450,00 Euro verurteilt und hinsichtlich des Fahrverbots eine dem Bußgeldbescheid entsprechende Anordnung getroffen. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat der Senat dieses amtsgerichtliche Urteil aufgehoben. Nunmehr hat das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde, mit der das Verfahren beanstandet wird, hat (vorläufigen) Erfolg.
Die Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe dem Antrag des Betroffenen, ihn gemäß § 73 Abs. 2 OWiG von der gesetzlichen Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu entbinden, zu Unrecht nicht entsprochen und daher durch die Verwerfung seines Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, ist ordnungsgemäß ausgeführt und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Der Betroffene wäre vorliegend nach § 73 Abs. 2 OWiG von seiner Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung zu entbinden gewesen. Nach dieser Vorschrift entbindet das Gericht den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum Erscheinen, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass die Entscheidung über den Entbindungsantrag nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, sondern dieses vielmehr verpflichtet ist, dem Antrag zu entsprechen, sofern die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen (Senat in std. Rspr., vgl. etwa VRS 111, 146 und 113, 63 sowie Beschluss vom 5. November 2007 - 3 Ws (B) 522/07 -; OLG Dresden DAR 2005, 460).
Der Betroffene hat in dem Entbindungsantrag mitgeteilt, er werde sich zur Sache nicht einlassen. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass durch die persönliche Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung ein wesentlicher Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts zu erwarten gewesen wäre, sind nicht erkennbar. Allein die rein theoretische, durch keine einzelfallbezogenen konkreten Tatsachen gestützte Möglichkeit, polizeiliche Zeugen könnten sich nach längerer Zeit an ein von ihnen beobachtetes Fehlverhalten eines Betroffenen im Straßenverkehr besser oder überhaupt erst erinnern, wenn sie den Betroffenen in der Hauptverhandlung sehen, reicht zur Ablehnung eines Entbindungsantrages nicht aus.
Unter den gegebenen Umständen erscheint es dem Senat angezeigt, die Sache gemäß § 79 Abs. 6 OWiG an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 2705025 |
VRS 2011, 188 |