Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltsbestimmung gegenüber einem volljährigen Kind

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Kriterien der Änderung der Unterhaltsbestimmung ggü. einem volljährigen Kind.

 

Normenkette

BGB § 1612 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Pankow/Weißensee (Beschluss vom 05.01.2005; Aktenzeichen 16 F 4740/04)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 5.1.2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige befristete Beschwerde des Vaters hat in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 1612 Abs. 2 S. 1 BGB können Eltern, die einem unverheirateten Kind Unterhalt zu gewähren haben, bestimmen, in welcher Art der Unterhalt geleistet werden soll. Das gilt auch für die Unterhaltsgewährung nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes (BGH v. 27.4.1988 - IVb ZR 56/87, MDR 1988, 764 = NJW 1988, 1974). Die von einem Elternteil getroffene Unterhaltsbestimmung kann auf Antrag des Kindes nach § 1612 Abs. 2 S. 2 BGB aus besonderen Gründen geändert werden. Hierunter sind solche Gründe zu verstehen, die im Einzelfall die Interessen des Unterhaltsberechtigten als schwerer wiegend erscheinen lassen als die Gründe, derentwegen das Gesetz den Eltern das Bestimmungsrecht über die Art der Unterhaltsgewährung eingeräumt hat.

Nicht nur das unterhaltsbedürftige Kind hat nach § 1618a BGB auf die wirtschaftlichen Interessen der Eltern angemessene Rücksicht zu nehmen, indem es den leichter aufzubringenden Naturalunterhalt entgegennimmt; auch die Eltern haben auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht zu nehmen, was in § 1612 Abs. 2 S. 1 BGB ausdrücklich hervorgehoben wird. Die sich aus § 1618a BGB ergebenden gegenseitigen Verpflichtungen sind nicht einheitlich zu bestimmen, sondern richten sich nach den jeweiligen konkreten Umständen. Insbesondere muss für die anzulegenden Maßstäbe zwischen minderjährigen und volljährigen Kindern unterschieden werden (BayObLG v. 23.9.1987 - BReg. 1 Z 35/87, FamRZ 1987, 1298; v. 19.5.1999 - 1Z BR 188/98, FamRZ 2000, 976).

Das Bestimmungsrecht nach § 1612 Abs. 2 S. 1 BGB hat auch ggü. volljährigen Kindern seine Grundlage darin, dass die enge verwandtschaftliche Beziehung und die Wahrung des Familienzusammenhalts eine Rücksichtnahme des trotz seiner Volljährigkeit noch unterhaltsbedürftigen, unverheirateten Kindes auf seine Eltern gebietet (BayObLGZ 1977, 22; BayObLG v. 19.5.1999 - 1Z BR 188/98, FamRZ 2000, 976). Dem Gesichtspunkt einer Einflussnahme auf das mit den Unterhaltsleistungen geförderte Berufs- und Ausbildungsziel kommt hier nach dem Vorbringen des Vaters keine Bedeutung zu.

Hier ist die Entscheidung des AG, den Interessen des Antragstellers den Vorrang einzuräumen, nicht zu beanstanden. Zum einen ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er bereits mehrere Jahre volljährig ist und seit Dezember 2002 in einer eigenen Wohnung lebt (vgl. zu diesem Kriterium Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 2 Rz. 40, m.w.N.). Entscheidendes Gewicht kommt aber folgendem Gesichtspunkt zu:

Der Gesetzgeber hatte bei der Schaffung des Bestimmungsrechts die intakte Familie mit ihren wechselseitigen - erhaltenswerten - Bindungen im Auge (BayObLG v. 19.5.1999 - 1Z BR 188/98, FamRZ 2000, 976). Dem kommt keine maßgebliche Bedeutung zu, wenn es, wie hier, nicht darum gehen würde, eine noch bestehende Gemeinschaft zwischen Eltern und Kind aufrechtzuerhalten oder wieder herzustellen, sondern die Lebenssituation des unterhaltsberechtigten Kindes einschneidend zu verändern (BayObLG v. 19.5.1999 - 1Z BR 188/98, FamRZ 2000, 976).

Die Eltern des Antragstellers haben sich im Jahr 1987 getrennt, also als er vier Jahre alt war. Seit dieser Zeit haben er und sein Vater - mit Ausnahme der in erster Instanz thematisierten zwei Wochen im Jahr 1989 - nicht mehr zusammen gelebt, gewohnt und gewirtschaftet. Auch aus den - streitigen - Schilderungen des Antragsgegners ist nur zu entnehmen, dass zwischen ihnen ein - guter - Kontakt bestand, der aber über den üblichen Umgangskontakt nicht wesentlich hinausgegangen ist. Insbesondere hat es auch keine gemeinsamen Urlaube gegeben, in denen zumindest zeitweise eine Situation wie bei einem gemeinsamen Wohnen bestanden hätte. Die von dem Antragsgegner geschilderten Besuche usw. sind damit nicht vergleichbar.

Der Senat teilt die Auffassung des AG, dass angesichts dessen das wirtschaftliche Interesse des Antragsgegners, den Unterhalt in einer für ihn finanziell günstigeren Form zu leisten, hinter den Interessen des Antragstellers zurücktreten muss. Zwischen den Parteien besteht trotz der Kontakte in Folge der langjährigen Trennung der Eltern keine familiäre Situation, wie sie der Gesetzgeber vor Augen hatte. Dies kommt auch in der schriftlichen Antwort des Antragsgegners vom Juli 2004 auf die Unterhaltsforderung seines Sohnes zum Ausdruck. Weder Inhalt noch Diktion lassen ein gedeihliches Zusammenleben erwarten.

Dieser Gesichtspunkt wiegt schwerer als die Frage der e...

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