Entscheidungsstichwort (Thema)

Zögerlich gewährte Akteneinsicht nach Urteilserlass

 

Orientierungssatz

Orientierungssätze:

1. Es ist revisionsrechtlich ohne Belang, wenn ein nach Urteilserlass gestelltes Akteneinsichtsgesuch des Verteidigers (zunächst) unbeantwortet geblieben ist. Das Urteil kann auf einem solchen Verfahrensfehler nicht beruhen.

2. Ein Urteil wird nicht "zwischenzeitlich ... rechtsfehlerhaft", wenn eine bußgelderhöhend bewertete Registereintragung nach Urteilserlass tilgungsreif geworden ist. Allein maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung des Registerinhalts ist der Zeitpunkt der Urteilsfällung

3. Es muss als zumindest zweifelhaft gelten, dass sich ein Kraftfahrer auf Augenblicksversagen (hier: Übersehen des Zeichens 274) berufen kann, der nicht einmal die innerörtlich üblicherweise geltende Geschwindigkeitsbegrenzung (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO) einhält, sondern (hier: um 11 km/h) überschreitet.

 

Normenkette

StPO § 261; StVO § 3 Abs. 3 Nr. 1, § 41 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 24.11.2022; Aktenzeichen 315 OWi 815/22)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 24. November 2022 wird nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.

 

Gründe

Erläuternd bemerkt der Senat:

1. Es versteht sich von selbst, dass das Urteil nicht darauf beruhen kann, dass ein nach Urteilserlass gestelltes Akteneinsichtsgesuch der Verteidigerin (zunächst) unbeantwortet geblieben ist. Darüber hinaus trägt die Rechtsbeschwerde aber auch nicht vor, welcher Rügevortrag angebracht worden wäre, wenn die Verteidigerin rechtzeitig Akteneinsicht gehabt hätte.

2. Die als Sachrüge bezeichnete Beanstandung, ein Messbeamter sei nicht ausreichend (aktuell) geschult gewesen, bleibt schon deshalb unbeachtlich, weil dieser Umstand urteilsfremd ist.

3. Gleichfalls versteht es sich von selbst, dass ein Urteil nicht, wie die Verteidigerin meint, "zwischenzeitlich ... rechtsfehlerhaft" geworden sein kann. Das Amtsgericht hat die Voreintragung im Fahreignungsregister im allein maßgeblichen Zeitpunkt der Urteilsfällung zutreffend berücksichtigt und rechtsfehlerfrei als unrechtserhöhend bewertet. Dass zwischenzeitlich Tilgungsreife eingetreten wäre, bleibt selbstverständlich für die hier veranlasste Rechtsprüfung ohne Belang.

4. Einen Anlass, sich mit einem möglichen "Augenblicksversagen" zu befassen, zeigen die allein maßgeblichen Urteilsgründe nicht auf. Ohnedies muss als zumindest zweifelhaft gelten, dass sich ein Kraftfahrer auf Augenblicksversagen (Übersehen des Zeichens 274) berufen kann, der nicht einmal die innerörtlich üblicherweise geltende Geschwindigkeitsbegrenzung (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO) einhält, sondern, wie hier, um 11 km/h überschreitet (vgl. Senat, Beschlüsse vom 6. September 2017 - 3 Ws (B) 204/17 - [unveröffentlicht] und vom 27. Februar 2023 - 3 ORbs 22/23 - [zur Veröffentlichung vorgesehen]).

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15767358

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