Leitsatz (amtlich)
Kausalität besteht nur bei Taten, die der Beschaffung von Drogen zur Befriedigung der Sucht dienen sollen oder die der Täter ohne die Betäubungsmittelabhängigkeit nicht begangen hätte. Die Drogensucht muß die Bedingung und nicht nur Begleiterscheinung der Straftat gewesen sein.
Die Kausalität muß feststehen. Die bloße Vermutung reicht nicht aus. Die Vollstreckungsbehörde ist nicht gehalten, dazu eine langwierige und schwierige Beweisaufnahme durchzuführen.
Sind gegen den Verurteilten mehrere Strafen zu vollstrecken und liegen bei einer von ihnen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 BtMG nicht vor, so kann auch die Vollstreckung der anderen Strafen nicht zurückgestellt werden, selbst wenn sie wegen Taten verhängt worden sind, die der Verurteilte aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hatte.
Tenor
1.
Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vom 2. Juli 2007 wird verworfen.
2.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3.
Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Das Landgericht Berlin (Schwurgericht) hat den Betroffenen am 20. Juni 2005 wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer Geldstrafe zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, sechs Monaten und zwei Wochen verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet (1 Kap Js 2077/04 Ks). Nachdem die Maßregel wegen fehlender Erfolgsaussichten durch Beschluß der Strafvollstreckungskammer vom 16. August 2006 für erledigt erklärt worden war, wurde der Betroffene zur Verbüßung der Freiheitsstrafe in die JVA Moabit überführt. Der Zweidrittelzeitpunkt ist für den 28. Oktober 2007 notiert. Im Anschluß daran ist (im Strafvollzug für Erwachsene) die weitere Vollstreckung einer Jugendstrafe von zwei Jahren vorgesehen, die das Amtsgericht Tiergarten gegen ihn am 15. Oktober 2003 verhängt hat (5 Op Js 137/03 Ls). Die Anträge des Betroffenen, die Strafvollstreckung in beiden Verfahren nach § 35 BtMG zurückzustellen, hat die Staatsanwaltschaft abgelehnt. Seine Beschwerde hat die Generalstaatsanwaltschaft zurückgewiesen. Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung bleibt ohne Erfolg.
Die nach den §§ 28 Abs. 3 EGGVG, 35 Abs. 1 Satz 1 BtMG auf die ordnungsgemäße Ermessenausübung beschränkte Überprüfung des angefochtenen Bescheides deckt keine Rechtsfehler auf.
Unschädlich ist zunächst, daß die Staatsanwaltschaft über die Anträge entschieden hat, ohne zuvor eine Erklärung der erkennenden Gerichte darüber einzuholen, ob einer Zurückstellung der Strafvollstreckung zugestimmt wird (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 1998, 315).
Nicht zu beanstanden ist ferner, daß die Vollstreckungsbehörde für die Jugendstrafe die Voraussetzungen der §§ 35 Abs. 1 Satz 1, 38 Abs. 1 Satz 1 BtMG nicht als gegeben angesehen hat, weil der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen einer Betäubungsmittelabhängigkeit des Betroffenen und dem überwiegenden Teil der abgeurteilten Taten nicht feststeht. Insoweit unterliegt die angefochtene Entscheidung der vollen Überprüfung durch den Senat (vgl. KG, Beschluß vom 27. Oktober 1989 - 4 VAs 13/89 -). Sie ergibt, daß die Vollstreckungsbehörde den Sachverhalt zutreffend gewürdigt und die Anforderungen an den Kausalitätsnachweis nicht überspannt hat (vgl. OLG Saarbrücken NStZ-RR 1996, 246).
Dem Urteil des Amtsgerichts vom 15. Oktober 2003 lagen der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in zwei Fällen, vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis und versuchte Körperverletzung zugrunde. Einbezogen wurde das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 22. August 2001, mit dem gegen den Betroffenen wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung auf eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten erkannt worden war.
Für das Verkehrsdelikt und die versuchte Körperverletzung steht nach den Urteilsgründen außer Frage, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer Betäubungsmittelabhängigkeit und den Taten nicht bestand, was auch der Betroffene nicht in Abrede stellt. Soweit er allerdings meint, die Zurückstellung der Strafvollstreckung sei schon aufgrund der Drogendelikte und der Raubtat gerechtfertigt, teilt der Senat diese Auffassung nicht.
Richtig ist zwar, daß bei einer Gesamtstrafe oder - wie hier - einer Einheitsjugendstrafe (§ 31 Abs. 1 Satz 1 JGG) nicht alle der Verurteilung zugrundeliegenden Taten aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen sein müssen. Es reicht für die Zurückstellung der Vollstreckung vielmehr aus, wenn die Kausalität bei einem nach Bedeutung und Gewicht überwiegenden Teil der Taten gegeben war (vgl. Körner, BtMG 5. Aufl., Rdn. 52 zu § 35). Das ist hier aber nicht der Fall.
Hinsichtlich der im April 2001 begangenen Raubtat, des weitaus schwerwiegendsten Delikts, ergibt sich die Kausalität weder aus den Gründen des Urteils noch steht sie sonst fest. Eine (Mit-)Ursächlichkeit des Drogenmißbrauchs ist nicht immer schon dann gegeben, wenn zur Tatzeit eine Rauschgiftabhän...