Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwendung von Kennzeichen der "Hells Angels"
Leitsatz (amtlich)
1. Ein sogenanntes Center Patch, das mit der Zahl "81" und dem Schriftzug "BIG RED MACHINE" in den Farben rot und weiß sowie in einer der Schriftart "Hessian Regular" ähnelnden Schrift bestickt ist, stellt ein Kennzeichen im Sinne des Vereinsgesetzes dar.
2. Die Verwendung eines solchen Kennzeichens begründet eine Strafbarkeit nach dem Vereinsrecht lediglich dann, wenn es in im Wesentlichen gleicher Form von einem verbotenen Verein verwendet wird; daran fehlt es, wenn das Kennzeichen nur durch die nicht verbotene Dachorganisation der "Hells Angels" genutzt wird.
Normenkette
VereinsG § 9 Abs. 3, § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, S. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 06.06.2019; Aktenzeichen (581) 251 Js 452/17 Ns (87/18)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. Juni 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten - nach vorangegangenem Strafbefehlsverfahren - durch Urteil vom 14. Juni 2018 wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz (§ 9 Abs. 3, § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Abs. 3 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,00 Euro verurteilt.
Gegen dieses Urteil haben sowohl die Staatsanwaltschaft Berlin als auch der Angeklagte Berufung eingelegt, Letzterer mit dem Ziel des Freispruchs.
Das Landgericht Berlin hat mit dem angefochtenen Urteil vom 6. Juni 2019 die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten verworfen.
II.
Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten, form- und fristgerecht - unbeschränkt - eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg.
1. Ein - von Amts wegen zu beachtendes - Verfahrenshindernis liegt entgegen der Auffassung des Revisionsführers nicht vor. Soweit die Revision meint, ein solches sei gegeben, weil weder der dem Verfahren zugrunde liegende Strafbefehl noch das amts- oder landgerichtliche Urteil einen "verbotenen Verein" benenne, dessen Kennzeichen der Angeklagte verwendet haben soll, liegt hierin kein Verfahrenshindernis. Insbesondere fehlt es vorliegend nicht etwa an einer wirksamen Anklage- oder Antragsschrift, weil die prozessuale Tat im Sinne der §§ 155, 264 StPO nicht hinreichend konkretisiert ist. Denn die prozessuale Tat im engeren Sinne ist ein "konkretes Vorkommnis", ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet (BGHSt 22, 375, 385), und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht hat oder haben soll (BGHSt 29, 341, 342; 32, 215, 216; 59, 4, 8). Diesen Voraussetzungen genügt der durch das Amtsgericht Tiergarten erlassene Strafbefehl, denn er lässt zweifelsohne einen geschichtlichen Vorgang erkennen, indem er den Tattag und das konkrete Tatgeschehen, nämlich das Tragen eines Kapuzenpullovers durch den Angeklagten, darstellt.
2. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
3. Die Sachrüge hat demgegenüber Erfolg.
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts soll der Angeklagte bei einer durch den Motorradclub Hells Angels MC Nomads Germany angemeldeten Versammlung am 9. September 2017 in Berlin ein Kapuzen-Sweatshirt getragen haben, auf dem in roter Schrift die Aufschrift "FTW" an der Kapuze und ebenfalls in roter Farbe ein Eisernes Kreuz auf der Rückenseite aufgestickt seien sowie innerhalb des Eisernen Kreuzes in weißer Schrift die Zahlen und Schriftzüge "81", "BIG RED MACHINE", "666" und "SUPPORT". Zudem befänden sich unter dem Kreuz in weißer Schrift die Worte "NORTH END". Für sämtliche Worte und Ziffern sei die Schriftart "Hessian Regular" verwendet worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten hat das Berufungsgericht auf die Abbildungen Bl. 10/11 d.A. verwiesen.
Am Morgen des Tattages hätte es eine Demonstration von Mitgliedern und Unterstützern der Hells Angels gegen die zum 16. März 2017 in Kraft getretene Verschärfung des Vereinsgesetzes gegeben, an der der Angeklagte jedoch nicht teilgenommen hätte.
Wie der Angeklagte bei der Tatbegehung gewusst habe, handele es sich bei der Bezeichnung "BIG RED MACHINE" um eine Umschreibung für den Hells Angels MC, ebenso bei der Zahlenkombination "81", die den achten und ersten Buchstaben des Alphabets symbolisiere und für "HA" = Hells Angels stehe. Die Bezeichnung "North End" stehe für die in Norderstedt ansässige Ortsgruppe der Hells Angels (Charter) "Hells Angels MC North End". Der Angeklagte habe auch gewusst, dass der Hells Angels MC als ausschließliche Schriftart für seine Zeichen die Schriftart "Hessian Regular" verwende und seit den achtziger Jahren zahlreiche Charter des Hells Angels MC verboten worden seien, u.a. auch in Berlin. Er hätte jedenfalls billigend i...