Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 08.03.2016) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 8. März 2016 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der öffentlichen Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins freigesprochen. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten, vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Rz. 2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Angeklagte Mitglied des „Hells Angels Charters North Region”, einer Untergliederung der weltweit agierenden Rockergruppierung „Hells Angels”. Als erstes und seinerzeit einziges „Hells Angels Charter” in Deutschland wurde im Jahr 1973 der „Hell's Angels Motorclub e. V.” in Hamburg gegründet. Seine Mitglieder bezeichneten sich als „Hells Angels MC Germany”. Sie trugen sog. Kutten, die mittels diverser Aufnäher im Wesentlichen einheitlich gestaltet waren:
Rz. 3
Auf der Rückseite befand sich oben der in einer Bogenform nach unten verlaufende Schriftzug „Hells Angels” in roter Schrift auf weißem Grund. Das Clubemblem war mittig angebracht. Es bestand aus einem stilisierten behelmten Totenkopf in den Farben Weiß, Schwarz und Rot mit rechtsseitigen gold-roten Engelsflügeln. Unterhalb des Logos war der Schriftzug „MC” in roter Schrift auf weißem Grund angebracht. Darunter befand sich in einer nach oben verlaufenden Bogenform der Schriftzug „Germany” in roter Schrift auf weißem Grund. Bei der für die Begriffe „Hells Angels” und „Germany” verwendeten Schriftart handelte es sich um „Hessian Regular”. Auf der Vorderseite der Kutte waren in roter Schrift auf weißem Grund die Schriftzüge „AFFA” und „Hamburg” nebeneinander sowie „Europe” angebracht.
Rz. 4
Seit Anfang der 1980er Jahre gründeten sich weitere „Charter” der „Hells Angels” in Deutschland, unter anderem das „MC Hells Angels Germany Charter Düsseldorf” sowie in Baden-Württemberg das „Hells Angels Motorcycle Club Charter Borderland” nebst seiner Teilorganisation „Commando 81 Borderland”. Die Kennzeichen dieser Ortsgruppen ähnelten denjenigen des „Hells Angels Charters” in Hamburg. Im norddeutschen Raum entstanden überdies die „Hells Angels Charter” „Hannover” und „North Region”.
Rz. 5
Der „Hell's Angels Motorclub e. V. Hamburg” ist durch bestandskräftige Verfügung des Bundesministeriums des Inneren vom 21. Oktober 1983 verboten, das „MC Hells Angels Germany Charter Düsseldorf” durch Verfügung des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. Februar 2000, deren sofortige Vollziehbarkeit angeordnet wurde, und das „Hells Angels Motorcycle Club Charter Borderland” nebst seiner Teilorganisation „Commando 81 Borderland” durch bestandskräftige Verfügung des Innenministeriums des Landes Baden-Württemberg vom 6. Juni 2011.
Rz. 6
Der Angeklagte befuhr am 22. Juli 2014 mit einem Motorrad eine Straße in W.. Dabei trug er ein T-Shirt, auf dessen Rückseite ein stilisierter, weißer und behelmter Totenkopf mit rechtsseitigen rot-goldenen Engelsflügeln, darüber der Schriftzug „Hells Angels” und darunter der Schriftzug „North Region”, jeweils in roter Schrift mit weißer Umrandung und in der Schriftart „Hessian Regular” abgedruckt waren. Zwischen dem Totenkopf und dem Schriftzug „North Region” befanden sich die Buchstaben „MC” in roter Farbe mit weißer Umrandung. Bei sämtlichen Buchstaben handelte es sich um Großbuchstaben. Der Totenkopf wies hinsichtlich seiner Gestaltung, der Kopfbedeckung und der Farbgebung Abweichungen von demjenigen auf, den die verbotenen „Charter” der „Hells Angels” verwendeten.
Rz. 7
Außerdem trug der Angeklagte einen Motorradhelm, auf dem mindestens fünf Aufkleber angebracht waren. Drei davon waren rechteckig und beinhalteten den Schriftzug „Support your local Hells Angels Hannover”. Die Schriftzeichen waren in Großbuchstaben und in roter Farbe auf weißem Grund geschrieben, die Worte „Hells Angels” zudem in der Schriftart „Hessian Regular”. Ein weiterer Aufkleber wies auf einem weißen Hintergrund in der Mitte einen stilisierten und behelmten Totenkopf in den Farben Weiß, Schwarz und Rot mit rechtsseitigen rot-goldenen Engelsflügeln auf, der in seiner Form und Farbgebung dem von den verbotenen „Chartern” der „Hells Angels” verwendeten Symbol entsprach. Über dem Totenkopf war in nach unten verlaufender Bogenform der Schriftzug „Hells Angels” aufgedruckt, unter dem Totenkopf in nach oben verlaufender Bogenform der Schriftzug „Germany”. Zwischen dem Totenkopf und dem Schriftzug „Hells Angels” befand sich der Schriftzug „A.F.F.A.”, unterhalb des Totenkopfes standen die Buchstaben „MC” und das Wort „Hannover”. Bei sämtlichen Buchstaben handelte es sich um Großbuchstaben in roter Farbe und in der Schriftart „Hessian Regular”. Der fünfte Aufkleber zeigte auf weißem Grund einen stilisierten behelmten Totenkopf in den Farben Gelb und Schwarz mit rechtsseitigen rot-goldenen Engelsflügeln. Er unterschied sich in seiner Form und Farbgebung von der Gestaltung des Symbols, das die verbotenen „Charter” der „Hells Angels” verwendeten. Über dem Totenkopf befand sich in nach unten verlaufender Bogenform der Schriftzug „Hells Angels”, unter dem Totenkopf stand in nach oben verlaufender Bogenform das Wort „Hannover”. Bei sämtlichen Buchstaben handelte es sich um Großbuchstaben in roter Farbe, jedoch nicht in der Schriftart „Hessian Regular”.
Rz. 8
Am 7. August 2014 trug der Angeklagte auf dem Gelände eines Bowling-Centers in W. ein T-Shirt, auf dessen Rückseite ein stilisierter, weißer und behelmter Totenkopf mit rechtsseitigen rot-goldenen Engelsflügeln zu sehen war. Oberhalb des Totenkopfes befand sich in nach unten weisender Bogenform der Schriftzug „HA Member 81”, unterhalb des Totenkopfes stand in nach oben weisender Bogenform der Schriftzug „North Region”. Zwischen dem Totenkopf und dem unteren Schriftzug waren die Buchstaben „MC” abgebildet. Bei sämtlichen Buchstaben handelte es sich um Großbuchstaben in roter Farbe und mit weißer Umrandung. Die in Bogenform dargestellten Schriftzüge waren in der Schriftart „Hessian Regular” ausgeführt. Auf der Vorderseite des T-Shirts standen die Großbuchstaben „AFFA”, in roter Farbe mit weißer Umrandung und in der Schriftart „Hessian Regular”.
Rz. 9
Entscheidungsgründe
II. Der Freispruch des Angeklagten hält rechtlicher Überprüfung stand.
Rz. 10
Es kann dahinstehen, ob und inwieweit es sich bei den Symbolen und Schriftzügen, die sich auf den vom Angeklagten getragenen T-Shirts sowie dem Motorradhelm befanden, im Einzelnen um Kennzeichen auch der verbotenen „Hells Angel Charter” handelte; zumindest im Hinblick auf den Schriftzug „Hells Angels” und das Totenkopf-Symbol ist davon auszugehen. Darauf kommt es letztlich nicht an, weil der Angeklagte die Kennzeichen jedenfalls nicht im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG „verwendet” hat. Insoweit gilt:
Rz. 11
Diese Strafnorm bedarf aufgrund ihrer weiten Fassung mit Rücksicht auf verfassungsrechtliche Anforderungen – nicht zuletzt mit Blick auf das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG – einer am Schutzzweck der Norm orientierten einschränkenden Auslegung. Danach sind Kennzeichenverwendungen, die dem Schutzzweck des Vereinsverbots eindeutig nicht zuwiderlaufen, von dem Tatbestand auszunehmen. Bei der Prüfung, ob die Verwendung eines Kennzeichens auch einer verbotenen Organisation dem Schutzzweck der Norm eindeutig nicht zuwiderläuft, kann in der Regel nicht allein auf die Darstellung des Symbols selbst zurückgegriffen werden; denn dieses lässt bei isoliertem Gebrauch meist gerade nicht erkennen, ob es als Kennzeichen der verbotenen Organisation oder zu anderen, nicht zu beanstandenden Zwecken verwendet wird. Der mit dem Gebrauch des Kennzeichens verbundene Aussagegehalt ist vielmehr anhand aller maßgeblichen Umstände des Falles zu ermitteln (vgl. zu allem BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 – 3 StR 33/15, BGHSt 61, 1, 8 ff. – „Bandidos”).
Rz. 12
Daran gemessen lief der Gebrauch der in Rede stehenden Kennzeichen durch den Angeklagten dem Schutzzweck des Vereinsverbots eindeutig nicht zuwider. Insoweit ist wie in dem der Entscheidung des Senats vom 9. Juli 2015 (aaO) zugrunde liegenden Fall zu berücksichtigen, dass die gegen die verschiedenen „Charter” der „Hells Angels” ausgesprochenen Vereinsverbote nicht die national oder gar weltweit agierende Dachorganisation der „Hells Angels” betreffen, sondern allein regionale Unterabteilungen, deren Zwecke den Strafgesetzen zuwiderliefen. Dementsprechend sind die übrigen „Charter” der „Hells Angels” nicht verboten; sie tragen freilich gleichermaßen mit dem Schriftzug „Hells Angels” und dem Totenkopf-Symbol Kennzeichen ihrer Vereine, die auch Kennzeichen der verbotenen „Charter” waren. Durch die Hinzufügung einer unmissverständlich auf eine nicht verbotene Untergliederung hinweisenden Bezeichnung – wie hier „Hannover” und „North Region” – ergibt sich aus dem maßgeblichen Gesamtzusammenhang des Kennzeichengebrauchs entgegen der von der Staatsanwaltschaft vertretenen Auffassung indes eindeutig, dass der Angeklagte die betreffenden Kennzeichen gerade nicht als solche der verbotenen „Charter”, sondern als Kennzeichen von Unterabteilungen verwendet hat, die nicht mit einer Verbotsverfügung belegt sind.
Rz. 13
Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass der Zusatz „North Region” keine eindeutige Abgrenzung von dem verbotenen „Hells Angels Charter” in Hamburg darstelle, weil nicht erkennbar sei, um welchen Ort es sich dabei handele, und auch Hamburg im Norden Deutschlands liege, geht fehl. Maßgeblich ist allein, dass nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen unter der Bezeichnung „North Region” ein nicht verbotenes „Charter” der „Hells Angels” gegründet wurde. Daraus, dass es sich bei der Gründung des 1983 verbotenen „Hell's Angels Motorclub e. V. Hamburg” zunächst um den einzigen Ortsverein der „Hells Angels” in Deutschland handelte, dessen Mitglieder sich deshalb als
„Hells Angels MC Germany” bezeichneten und auch außerhalb von Hamburg Straftaten begingen, folgt entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes.
Unterschriften
Becker, RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker, Gericke, Tiemann, Hoch
Fundstellen
Haufe-Index 10332135 |
NStZ 2017, 481 |
NStZ-RR 2017, 5 |