Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein Architekt beauftragt, das Leistungsverzeichnis für eine Bauleistung zu erstellen, hat er diese Planungsleistung so zu erbringen, dass die auszuführenden Leistungen gemäß den anerkannten Regeln der Technik und genehmigungsfähig beschrieben sind.

2. Führt die Beseitigung der Folgen eines Planungsfehlers dazu, dass der Bauherr eine Bauleistung insgesamt zweimal ausführen lassen muss, wobei die zweite Ausführung preisgünstiger ist als die erste, beläuft sich der Schaden des Bauherrn im Zweifel auf die Kosten der teureren ersten Maßnahme.

3. Die Minderung des Schadensersatzanspruchs eines Bauherrn gegen einen mit Bau- oder Architektenvertrag beauftragten Baubeteiligten (§ 254 bzw. §§ 254, 278 BGB) kommt nur in Betracht, wenn der Bauherr durch einen aktiven Beitrag (fehlerhafte Anweisung oder Information bzw. Übergabe einer fehlerhaften Planung) den Schaden mitverursacht hat, nicht aber wenn er die Leitung, Planung oder Überwachung des Baugeschehens lediglich unterlassen hat.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 20 O 88/17)

 

Tenor

I. Auf die Berufungen beider Parteien wird das Urteil des Landgerichts vom 19. April 2018 in seiner Ziff. 1 wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 76.118,91 EUR sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von weiteren 2.085,95 EUR jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. April 2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen werden die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden in Abänderung der Kostenentscheidung des angegriffenen Urteils wie folgt verteilt:

Die Kosten der ersten Instanz haben die Klägerin zu 40 %, der Beklagte zu 60 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

IV. Dieses und fortan auch das angegriffene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin plante 2015, ein Wohngebäude in der W... Straße 4 in B... zu modernisieren und die einzelnen Wohnungen sodann an Erwerber zu verkaufen. Am 8. September 2015 beauftragte sie den Beklagten mit der "Bauleitung des Projekts", die unter anderem auch die "Einholung von Angeboten und die Mitwirkung bei der Vergabe" umfasste. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 verwiesen.

Das Wohngebäude steht mit einer Außenwand auf der Grenze zu einem Nachbargrundstück (im Folgenden "Grenzwand").

Die Parteien waren sich einig, dass der Kläger auch das Leistungsverzeichnis für die Rohbauarbeiten erstellen sollte. Dort führte er als Position 5.5 das auf die Außenwand aufzubringende Wärmedämmverbundsystem (WDVS) an und machte die weitere Vorgabe "schwer entflammbar B 1 nach DIN 4102" (Anlage K 3). Gemäß diesem Leistungsverzeichnis unterbreitete die Fa. H... ein Angebot, auf dessen Grundlage die Klägerin im März 2016 dieses Unternehmen beauftragte. Die Fa. H... führte die Leistungen aus und brachte ein WDVS auf, das schwer entflammbar, nicht aber nicht brennbar war. Das WDVS kostete die Klägerin 52.126,55 EUR.

Nach der Montage im Sommer 2016 wies das Bezirksamt L... die Klägerin darauf hin, dass die Grenzwand des Gebäudes eine Brandwand gemäß § 30 Berliner BauO sei und das WDVS daher aus nicht brennbaren Baustoffen hergestellt sein müsse. Es forderte einen entsprechenden Nachweis (Anlage BE 1).

Am 15. August 2016 wandten sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin an den Beklagten und teilten ihm mit, dass das mittlerweile angebrachte WDVS auf der Grenzwand unzulässig sei, da es sich um eine Brandwand handele. Der Beklagte wies seine Verantwortlichkeit mit Schreiben vom 25. August 2016 (Anlage K 4) zurück. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin forderten den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 2. September 2016 dazu auf, bis zum 10. September 2016 technisch taugliche und genehmigungsfähige Lösungen zur Vermeidung einer Komplettsanierung der Fassade zu unterbreiten (Anlage K 8).

Im März 2017 beauftragte die Klägerin die Fa. A... mit dem Abbruch des WDVS auf der Grenzwand und der Aufbringen eines neuen WDVS, das nicht nur schwer entflammbar, sondern nicht brennbar ist.

Die Klägerin ist der Ansicht, bei der Grenzwand handele es sich um eine Brandwand gemäß § 30 Berliner BauO, an der nicht das vom Beklagten ausgeschriebene schwer entflammbare, sondern nur ein nicht brennbares WDVS zulässig sei. Sie meint ferner, der Beklagte sei ihr zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der ihr durch den Rückbau des zuerst angebrachten und die Montage eines nicht brennbaren WDVS entstanden sei.

Sie hat den Beklagten vor dem Landgericht in der Hauptsache auf Schadensersatz in Anspruch genommen und ihren Schaden in der ersten Instanz zuletzt mit 92.85...

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