Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob das Berufungsgericht auf den erstmals in zweiter Instanz gestellten Hilfsantrag einen Rechtsstreit entsprechend § 281 ZPO an das örtlich zuständige erstinstanzliche Gericht verweisen kann.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 14.05.2008; Aktenzeichen 96 O 256/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 14.5.2008 verkündete Urteil des LG Berlin - 96 O 256/06 - aufgehoben.
Das LG Berlin wird für unzuständig erklärt, der Rechtsstreit erster Instanz wird an das LG Koblenz (Kammer für Handelssachen) verwiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Beklagte unterzeichnete im August 1994 eine Beitrittserklärung zur E. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG, jetzt B. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG. Über das Vermögen der Gesellschaft ist inzwischen das Insolvenzverfahren eröffnet. Insolvenzverwalter ist der Kläger. Er nimmt den Beklagten auf Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen aufgrund seiner Gesellschafterstellung in Anspruch. Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei mangels örtlicher Zuständigkeit unzulässig. Der Beitritt des Beklagten zur Gesellschaft unterfalle den Bestimmungen des Haustürwiderrufsgesetzes.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien, ihrer in erster Instanz gestellten Anträge und der Begründung des LG im Einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Mit der Berufung macht der Kläger geltend, dass die Voraussetzungen des Haustürwiderrufsgesetzes weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht vorlägen. Er beantragt, unter Abänderung des am 19.3.2008 verkündeten Urteils des LG Berlin den Beklagten zu verurteilen, an die B. B. Aktiengesellschaft 56.242,11 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.7.2006 zu zahlen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das LG Koblenz zu verweisen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und wendet sich gegen eine Verweisung des Rechtsstreits aufgrund des erstmals in zweiter Instanz hilfsweise gestellten Verweisungsantrages.
Auf die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung und den Hilfsantrag ist der Rechtsstreit an das für den Wohnsitz des Beklagten zuständige LG Koblenz als Gericht erster Instanz zu verweisen.
Das LG Berlin hat seine Zuständigkeit zu Recht verneint. Nach § 29c ZPO ist für das vorliegende Haustürgeschäft das LG Koblenz, in dessen Bezirk der Beklagte bei Klageerhebung seinen Wohnsitz hatte, ausschließlich örtlich zuständig. Auf private Kapitalanlagen im Wege einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung, die im Rahmen einer Haustürsituation nach alter Rechtslage gezeichnet wurden, ist grundsätzlich gem. § 229 § 5 Satz 2 EGBGB die Vorschrift des § 312 BGB anzuwenden. Dies steht unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH vom 12.7.2010 - II ZR 292/06 - außer Zweifel und wird nunmehr auch vom Kläger zugestanden.
Der Beklagte hat die Beteiligung an der Insolvenzschuldnerin im Rahmen eines Haustürgeschäfts gezeichnet. Dies steht aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LG auch für den erkennenden Senat bindend fest. Es kann deshalb dahinstehen, ob bereits die substantiierte Darlegung des Beklagten der für die Zuständigkeit und zugleich für die Begründetheit maßgeblichen ("doppelrelevanten") Tatsachen ausreichend war (vgl. BGHZ 143, 49 [54]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 29c Rz. 9, § 1 Rz. 18).
Nach § 529 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen dann vor, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle der Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH NJW 2003, 3480 f.). Hierfür bestehen indes keine ausreichenden Anhaltspunkte. Solche ergeben sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass der Anlagenvermittler die Zeichnungssumme offensichtlich vorab in die Beitrittserklärung eingesetzt hatte; denn er wusste aufgrund der Betreuung eines anderen Kunden, dass dem Beklagten aus einem zuvor geschlossenen Geschäft genau diese Summe für eine Vermögensanlage zur Verfügung stand.
Infolge örtlicher Unzuständigkeit des LG Berlin ist in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO der Rechtsstreit erster Instanz an das ausschließlich zuständige LG Koblenz (Kammer für Handelssachen) zu verweisen. Diese Verweisung durch Urteil ist auch auf den erstmals in zweiter Instanz gestellten Hilfsantrag möglich (KG BB 1983, 213 [214]; Geisler in Prütting/Gehrlein/Geisler, ZPO, 1. Aufl....