Leitsatz (amtlich)

1. Einen Gebrauchtwagenhändler, der die unfallbedingte Vorschädigung eines Fahrzeugs kennt, trifft eine Untersuchungspflicht jedenfalls im Umfang einer Sichtprüfung (s. BGH NJW 2010, 2426, 2429 Tz 29). Sind Anzeichen für eine unfachgerechte Reparatur vorhanden (Spaltmaße etc), hat er den Käufer zur Vermeidung des Vorwurfs arglistigen Verschweigens ungefragt aufzuklären.

2. Jedenfalls dann, wenn das Fahrzeug vom Händler als "sehr gepflegt" oder ähnlich beworben worden war, kann der Käufer die Angabe "reparierter Unfallschaden" als positive Beschaffenheitsangabe (§ 434 Abs. 1 S. 1BGB) dahin verstehen, dass eine fachgerechte Reparatur vorliegt. Insoweit kommt auch Arglist des Händlers unter dem Gesichtspunkt einer Falschangabe "ins Blaue" in Betracht.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 25.02.2010; Aktenzeichen 31 O 334/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.2.2010 verkündete Urteil der Zivilkammer 31 des LG Berlin - 31 O 334/09 - abgeändert:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin

1) 8.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6.2009 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe des Pkw Daimler-Chrysler, Typ A 160 Elegance, Kraftfahrzeugbrief-Nr.: V...1..., Fahrgestell-Nr.:

W.,

2) 426,13 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 307,13 EUR seit dem 1.6.2009 und von 119 EUR seit dem 13.6.2009 zu zahlen,

3) 718,40 EUR vorgerichtliche Kosten zu zahlen.

II. Es wird festgestellt,

1) dass sich die Beklagte mit der Annahme des im Tenor zu I.1) genannten Fahrzeugs in Verzug befindet,

2) dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr auf Grund der Einstellung des Fahrzeugs auf dem Gelände der T.GbR seit dem 29.6.2009 entstanden ist und bis zu einer Rücknahme des Fahrzeugs durch die Beklagte noch entstehen wird.

III. Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Wiedergabe tatsächlicher Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist - mit Ausnahme eines Teils der Zinsen - begründet.

1) Der Klägerin stehen die verfolgten Zahlungsansprüche zu.

a) Die mit Schreiben vom 9.4.2009 (K 4) erklärte Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung ist gem. § 123 BGB wirksam, ohne dass es auf die vom LG zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemachte Behauptung der Klägerin ankommt, die Beklagte habe eine bestimmte positive Qualität der Reparaturausführung mündlich zugesagt.

Das zum Preis von 8.490 EUR erworbene Fahrzeug weist nach dem Gutachten des Sachverständigen H...vom 30.5.2011 erhebliche Unfallschäden im Front- und Heckbereich auf, die nicht fachgerecht behoben waren und deren fachgerechte Behebung Kosten von mindestens 9.177,96 EUR brutto verursachen würde. Ferner hat der Sachverständige festgestellt, dass die Unfachgerechtheit der Reparatur bei einer äußerlichen Inaugenscheinnahme durch einen Kfz-Händler anhand diverser Anzeichen (unregelmäßige Spaltmaße, behelfsmäßige Reparatur eines Kotflügels, Schleifen und behelfsmäßige Befestigung der Heckklappenverkleidung und weiteres, s. Gutachten S. 12) feststellbar sei. Die Feststellungen sind von der Beklagten nicht angegriffen worden.

Im Kaufvertrag ist vermerkt: "reparierter Unfallschaden im Front- und Heckbereich".

Danach hat die Beklagte die Klägerin auf zwei Wegen arglistig getäuscht:

aa) Arglistig handelt zunächst der Verkäufer, der vertragswesentliche Erklärungen ohne hinreichende Erkenntnisgrundlage "ins Blaue hinein" abgibt (s. BGH NJW 1998, 2360, 2361; BGHZ 168, 64 = 2839, 2840 Rz. 13; BGHZ 63, 382 = NJW 1975, 642, 645).

Das war hier der Fall.

Die fehlende Fachgerechtheit einer Reparatur eines Unfallschadens stellt einen Mangel des Gebrauchtwagens dar (vgl. BGHZ 181, 170 = NJW 2009, 2807, 2808 Rz. 16; NJW 2008, 53, 54 Rz. 20) und kann eine Arglisthaftung des Verkäufers begründen (vgl. OLG Rostock OLG-NL 2004, 73; OLG Koblenz, Urt. v. 18.5.2000 - 5 U 1928/98 -bei Juris-; OLGReport Köln 2001, 233; OLGReport Düsseldorf 2004, 152; OLGReport München 1995, 64).

Die Angabe "reparierter Unfallschaden.." im Kaufvertrag stellte nicht lediglich eine Beschreibung der Kaufsache dar, sondern enthielt auch die Erklärung, dass der angegebene Unfallschaden fachgerecht behoben ist. Es spricht bereits Einiges dafür, eine derartige Angabe eines Händlers wegen seiner Sachkunde und der Schutzwürdigkeit des Kunden als Laien grundsätzlich als positive Beschaffenheitsvereinbarung i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB zu verstehen und nicht bloß als Beschreibung dahin, dass es sich um ein Fahrzeug handelt, dessen Unfallspuren irgendwie optisch beseitig sind (gegen eine Zusicherung nach altem Recht allerdings OLGReport Düsseldorf 2001, 225; offen gelassen von OLG Rostock, a.a.O.).

Dies kann jedoch dahin stehen...

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