Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des Anspruchs auf Trennungsunterhalt bei einseitiger Abkehr von der ehelichen Lebensgemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
Die einseitige Abkehr von der ehelichen Lebensgemeinschaft führt zur Verwirkung des Anspruchs auf Trennungsunterhalt auch dann, wenn die Hinwendung zu einem neuen Partner sogleich ggü. dem anderen Ehegatten offenbart wird).
Normenkette
BGB § 1361 Abs. 3, § 1579 Nrn. 6-7
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Urteil vom 07.07.2005; Aktenzeichen 141 F 990/05) |
Tenor
Unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin wird auf die Berufung des Beklagten das am 7.7.2005 verkündete Urteil des AG Tempelhof/Kreuzberg - 141 F 990/05 - abgeändert:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellung wird gem. § 540 Abs. 2 in Verbindung mit § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige, insb. form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
Die Klägerin hat ihren Anspruch auf Trennungsunterhalt aus § 1361 Abs. 1 BGB verwirkt. Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs folgt entgegen der Ansicht des Beklagten allerdings nicht daraus, dass sie ihm das Zusammenleben mit einem neuen Partner verschwiegen habe. Nach dem Vortrag des Beklagten hat die Klägerin ihm gegenüber im Mai 2004 ihren Ehebruch eingeräumt. Sie ist kurze Zeit später aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und ist nach Freiachdorf bei Montabaur verzogen. Angesichts dessen drängte sich schon ohne Weiteres die Vermutung auf, dass die Klägerin mit ihrem neuen Partner auch zusammenwohnen würde) Der Unterhaltsanspruch ist jedoch deswegen gem. §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 6 BGB verwirkt, weil sich die Klägerin schon während bestehender Ehe einen neuen Partner in einer Weise zugewandt hat, die ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihr liegendes Fehlverhalten i.S.d. § 1579 Nr. 6 BGB begründet. Es ist unstreitig, dass die Klägerin bereits während des Zusammenlebens mit dem Beklagten ein "freundschaftliches Verhältnis" mit ihrem jetzigen Lebensgefährten hatte. Wie die Klägerin weiter selbst vorträgt, hat sie dann erkannt, dass sie mehr als bloße Sympathie für diesen empfand. Sie hat den Beklagten im Mai 2004 verlassen, ist aus der ehelichen Wohnung ausgezogen, im unmittelbaren Anschluss daran in die Wohnung ihres Freundes in Montabaur eingezogen und lebt seitdem mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen. Wendet sich ein Ehegatte in solcher Weise gegen den Willen seines Ehepartners einem anderen Partner zu, so kehrt er sich damit in einem Maße von seiner Ehe und dem Ehepartner ab, dass er, der sich von seinen eigenen ehelichen Bindungen distanziert und die dem anderen Ehegatten geschuldete Hilfe und Betreuung einem Dritten zuwendet, nicht seinerseits den Ehepartner aus dessen ehelicher Mitverantwortlichkeit für sein wirtschaftliches Auskommen in Anspruch nehmen kann. Eine solche Inanspruchnahme liefe dem Grundsatz der Gegenseitigkeit zuwider, der dem ehelichen Unterhaltsrecht zugrunde liegt. Deshalb schafft diese Abkehr des Ehegatten von der Ehe in aller Regel einen Verwirkungsgrund im Sinne des § 1579 Nr. 6 BGB, der dazu führt, dass die Inanspruchnahme des anderen Ehegatten, dem die Erfüllung eines derartigen Unterhaltsverlangens als (Mitfinanzierung) Finanzierung des Zusammenlebens seines Ehepartners mit dem Dritten erscheinen muss, grob unbillig wäre (BGH v. 23.4.1980 - IVb ZR 527/80, MDR 1980, 741 = NJW 1980, 1686, 1687; BGH v. 17.2.1982 - IVb ZR 653/80, MDR 1982, 654 = NJW 1982, 1216, 1217 f.; BGH v. 28.3.1984 - IVb ZR 64/82, MDR 1984, 1010 = NJW 1984, 2358, 2359 f.).
Dass sie ihre Hinwendung zu einem neuen Partner sogleich dem Beklagten offenbart haben will, steht der Annahme eines einseitigen Ausbrechens aus der Ehe nicht entgegen. Der Verwirkungstatbestand wäre unter diesen Umständen nur dann nicht verwirklicht, wenn sich der Beklagte seinerseits von der Ehe mit der Klägerin bereits losgesagt hätte, weil es dann an der erforderlichen Einseitigkeit fehlen würde. Die Annahme eines einseitigen Ausbrechens aus der Ehe kann nicht durch den allgemein gehaltenen Vortrag ausgeschlossen werden, die Parteien hätten sich auseinandergelebt und es habe keine intakte eheliche Lebensgemeinschaft mehr bestanden (BGH v. 25.2.1981 - IVb ZR 544/80, NJW 1981, 1214, 1215; OLG Hamm OLGReport Hamm 2001, 145). Allein der Umstand, dass sich der Beklagte nur noch für seinen Computer und das Internet interessiert haben will, wie die Klägerin behauptet, rechtfertigt nicht die Annahme, der Beklagte habe sich von der Ehe losgesagt. Nicht jedes (angebliche) Fehlverhalten des Verpflichteten kann dem Fehlverhalten des Berechtigten den Charakter der Einseitigkeit nehmen, sondern nur Verfehlungen von einigem Gewicht erlangen in diesem Zusammenhang Bedeutung, d.h. Verfehlungen, die dem Unterhalt begehrenden Ehegatten das Festhalten an der Ehe erh...