Leitsatz (amtlich)
1. Die jugendliche Tochter einer Person des öffentlichen Lebens muss es nicht hinnehmen, gegen ihren Willen über einen konkreten Anlass hinaus um des reinen Unterhaltungsinteresses der Leserschaft willen durch Beschreibungen ihres äußeren Erscheinungsbildes zu einem Schönheitsidol aufgebaut zu werden.
2. Ebenso wenig muss sie hinnehmen, dass Bilder eines öffentlichen Auftritts - auch wenn sie zum Zweck der Berichterstattung über dieses Ereignis publiziert werden dürften - zur Illustration von Berichten über ihre Person benutzt werden.
3. Macht ein Pressehaus eine Person immer wieder in der vorbeschriebenen Weise zum Medienobjekt, obwohl es bereits wegen zahlreicher vergleichbarer Veröffentlichungen über diese Person zur Unterlassung verurteilt worden ist bzw. sich zur Unterlassung verpflichtet hat, so kann der Betroffene eine Geldentschädigung beanspruchen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 01.04.2003; Aktenzeichen 27 O 976/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 1.4.2003 verkündete Urteil des LG Berlin - 27 O 976/02 - teilweise geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.000 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Im Verlag der Beklagten erscheinen u.a. die Zeitungen "Bild", "Bild am Sonntag" und "Welt am Sonntag". In einem - durch Vergleich vom 4.4.2003 beendeten - Rechtsstreit vor dem LG Hamburg und dem OLG Hamburg hat die Klägerin die Beklagte wegen Veröffentlichungen aus dem Zeitraum vom 30.11.1998 bis 19.2.2002, wegen deren Inhalt auf die Anlagen K 1 bis K 9, K 12, K 15 und K 18 der hiesigen Klageschrift verwiesen wird, vor den Hamburger Gerichten auf Geldentschädigung in Anspruch genommen. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin von der Beklagten Zahlung einer Geldentschädigung wegen Veröffentlichungen in der "Bild" vom 26.3.2002, 27.4.2002 und 7.5.2002, zwei Beiträgen in der "Welt am Sonntag" vom 30.6.2002, jeweils eines Artikels in der "Bild am Sonntag" vom 21.7.2002 und der "Welt am Sonntag" vom 4.8.2002 sowie wegen der nachstehend in verkleinerter Kopie wiedergegebenen Veröffentlichung in der "Bild" vom 28.1.2002.
Zum Inhalt der übrigen streitgegenständlichen Veröffentlichungen und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat die Beklagte lediglich zur Erstattung von 682,66 Euro Abmahnkosten nebst Zinsen verurteilt und die weiter gehende Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen dieses am 12.5.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, die am 12.6.2003 nebst Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beim erkennenden Gericht eingegangen ist. Nachdem die Frist letztlich bis zum 30.7.2003 verlängert wurde, ist die Berufungsbegründung an diesem Tage beim Gericht eingegangen..
Die Klägerin verfolgt ihre Klageforderung mit der Berufung weiter und macht geltend:
Das LG habe die Genugtuungs- und Präventionsfunktion des Geldentschädigungs-anspruchs und insb. die Rechtsprechung zur Geldentschädigung wegen wiederholter Beeinträchtigung des Rechts am eigenen Bild verkannt sowie die durch die Kette der Verletzungen dokumentierte Skrupellosigkeit der Beklagten beim Umgang mit den Persönlichkeitsrechten der minderjährigen Klägerin nicht berücksichtigt.
Die hartnäckige einwilligungslose Veröffentlichung von Fotos zugunsten des eigenen wirtschaftlichen Vorteiles unter Missachtung des erklärten Willens der Klägerin gebiete die Zubilligung einer Geldentschädigung, auch wenn die Fotos bei öffentlichen Veranstaltungen aufgenommen wurden. Die dem Urteil des BGH (BGH v. 12.12.1995 - VI ZR 223/94, MDR 1996, 365 = NJW 1996, 985) zugrunde liegenden Aufnahmen hätten den Bruder der Klägerin in der Öffentlichkeit gezeigt. Soweit die Mutter der Klägerin überhaupt bei den Veranstaltungen anwesend gewesen und mit abgebildet worden sei, fehle es an einem Bericht über ein Begleitereignis.
Entgegen der Auffassung im angefochtenen Urteil habe die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Veröffentlichungen ins Auge gestochen und habe die Beklagte das Persönlichkeitsrecht der Klägerin offenkundig und vorsätzlich missachtet. Schon durch Urteil des LG Hamburg vom 19.11.1999, bestätigt durch Urteil des OLG Hamburg vom 11.4.2000 seien der Beklagten Äußerungen zum Erscheinungsbild der Klägerin untersagt worden.
Da die Beklagte in Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung und des entgegenstehenden Willens der Klägerin in steter Folge die Grenzen des rechtlich Zulässigen in bewusstem Kalkül überschritten habe, könne eine Geldentschädigung von 50.000 Euro allenfa...