Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Prüfungsumfang erstinstanzlicher Beweiserhebung durch die Berufung
Leitsatz (amtlich)
Gemäß § 513 ZPO ist das angefochtene Urteil nur darauf zu überprüfen, ob dem Erstgericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist oder ob auf Rechtsfehler beruhende Irrtümer in der Tatsachenfeststellung die Rechtsfindung beeinflusst haben.
Im Rahmen seiner Überzeugungsbildung darf der Richter einer Partei mehr Glauben schenken als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung als erwiesen feststellen.
Normenkette
ZPO §§ 286, 513, 546
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 19.02.2003; Aktenzeichen 17 O 261/02) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 19.2.2003 verkündete Urteil des LG Berlin – 17 O 261/02 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Von der Darstellung eines Tatbestandes nach § 540 Abs. 1 Nummer 1 ZPO wird abgesehen (§ 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO).
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
I. Gemäß § 513 ZPO ist das angefochtene Urteil durch das Berufungsgericht nur darauf zu überprüfen, ob dem Erstgericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist, oder ob auf Rechtsfehler beruhende Irrtümer in der Tatsachenfeststellung die Entscheidungsfindung beeinflusst haben.
Beides vermag der Senat nach umfassender Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht festzustellen.
Der Senat teilt vielmehr die Auffassungen des LG und folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang Bezug genommen wird.
Insbesondere ist die von dem LG vorgenommene Beweiswürdigung weder hinsichtlich der in die Betrachtung einbezogenen Überlegungen, noch hinsichtlich ihres Ergebnisses zu beanstanden.
Wegen der in § 513 Abs. 1 ZPO enthaltenen Verweisung auf § 546 ZPO hat das Berufungsgericht die tatsächlichen Grundlagen und deren Wertung durch das zunächst tätig gewordene Gericht wie ein Revisionsgericht nur noch darauf zu überprüfen, ob die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung die gesetzlichen Auslegungsregeln, die Denkgesetze, Erfahrungsgrundsätze und die Verfahrensvorschriften beachtet (OLG Celle v. 1.8.2002 – 2 U 57/02, OLGReport Celle, 2002, 238; Gehrlein, MDR 2003, 421 [426]).
Dieser Prüfung hält das angefochtene Urteil ohne jeden Zweifel stand. Insbesondere zeigt die Berufung, die sich im Wesentlichen in Angriffen gegen die Beweiswürdigung des LG erschöpft, keine konkreten Anhaltspunkte auf, die geeignet wären, in einem Maße Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen zu begründen, dass die Notwendigkeit der Wiederholung der Beweisaufnahme sich geradezu aufdrängte (zur erneuten Erhebung der Beweise vgl. OLG Dresden v. 13.9.2002 – 10 UF 504/02, MDR 2003, 289; Blah/Albers, ZPO, 60. Aufl. 2002, § 529 Rz. 2 ff.).
Gemäß § 286 ZPO hat der Richter nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Unter Beachtung der Denk- und Naturgesetze, Erfahrungsgrundsätze und der gesetzlichen Beweisregelungen hat er die im Verlauf des Rechtsstreits gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung zu bewerten. Dabei darf er z.B. einer Partei mehr Glauben schenken als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung als erwiesen feststellen. Dies gilt insb. auch dann, wenn ein Beteiligter nicht im Rahmen einer förmlichen Parteivernehmung, sondern gem. § 141 ZPO gehört wurde. Zwar dürfen Nach § 141 ZPO abgegebene Erklärungen einer Partei nicht als Beweismittel verwertet werden (BGH MDR 1967, 834), es ist aber allgemein anerkannt, dass die Ergebnisse einer Anhörung gem. § 141 ZPO ohne Weiteres im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses (Beweiswürdigung nach § 286 ZPO) verwertet werden dürfen (BGH v. 24.4.1991 – IV ZR 172/90, MDR 1992, 137 = VersR 1991, 917 [918]; v. 3.12.1991 – VI ZR 48/91, MDR 1992, 749 = VersR 1992, 358; v. 17.3.1993 – IV ZR 11/92, VersR 1993, 571 [572]; VersR 1999, 994, 995). Nach dieser st. Rspr. ist das Gericht sogar nicht gehindert, im Rahmen der Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme einer Parteierklärung, auch wenn sie außerhalb der einer förmlichen Parteivernehmung erfolgte, den Vorzug vor den Bekundungen eines Zeugen zu geben (so ausdrücklich BGH VersR 1999, 994 [995] m.N.).
Die Verfahrensweise des LG ist damit in keiner Weise zu beanstanden. Seine ausführlich dargelegten Bewertungen der verschiedenen Darstellungen des Geschehens sind nachvollziehbar und frei von Rechtsfehlern.
Auch der Senat kann der Darstellung der Klägerin nicht folgen, die Bekundungen der Zeugen P., T. und St. rechtfertigten die Annahme, der Beklagte zu 1) habe den Zeugen P. durch einen Fahrstreifenwechsel zu dem Fahrmanöver Anlass gegeben, das zu dem Unfall führte. Der Zeuge P. war durch den Unfall so stark beeindruckt, dass er zunächst ggü. den den Unfall aufnehmenden B...