Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen der wirksamen Ausübung eines gesellschaftsvertraglichen Vorkaufsrechts an dem Geschäftsanteil einer GmbH.
2. Ein durch unrichtige Angaben gegenüber dem Vollstreckungsgericht erschlichener Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist nichtig.
3. Leistet ein Drittschuldner an einem anderen als den im Vorstreckungstitel ausgewiesenen Gläubiger, kann er sich nicht auf den Schutz von § 836 Abs. 2 ZPO berufen.
Normenkette
BGB §§ 463, 464 Abs. 2; GmbHG § 15; ZPO § 836 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 55 O 154/19) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Juli 2020 - 55 O 154/19 - hinsichtlich des Tenors zu 2) und zu 3) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Hinsichtlich des Antrags zu 2) wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Beklagte zu tragen, mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention, welche die Streithelferin selbst trägt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien sind die Gründungsgesellschafter der mit Gesellschaftsvertrag vom 9. Juni 2011 gegründeten K. GmbH, wobei sie jeweils Inhaber von Gesellschaftsanteilen in Höhe von 12.500,00 EUR waren. Der Kläger begehrt auf der Grundlage eines nach dem Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Vorkaufsrechts neben der Auskunftserteilung, die nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, die Übertragung des Geschäftsanteils der Beklagten zum Nennwert von 12.500,00 EUR Zug um Zug gegen Zahlung des sich aus dem notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 12. August 2014 ergebenden Kaufpreises.
Das Landgericht hat der Klage mit der Einschränkung stattgegeben, dass der Geschäftsanteil abzutreten ist, soweit er wertmäßig den wirksamen und bestandskräftigen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Neukölln in Höhe von 188.615,00 EUR übersteigt. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen und diese Klageabweisung, die nach der Rücknahme der Berufung durch die Beklagte allein noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, wie folgt begründet: Die Klage sei bereits unzulässig, soweit der Kläger die Abtretung von Geschäftsanteilen an sich fordere, die der Pfändung unterliegen, weil es dem Kläger insoweit an der erforderlichen Prozessführungsbefugnis fehle. Soweit der geltend gemachte Anspruch über die Forderung der Gläubigerin aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Neukölln vom 04. März 2020 hinausgehe, sei der Kläger prozessführungsbefugt und könne Leistung an sich verlangen. Der Kläger habe gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Abtretung ihrer Gesellschaftsanteile an der K. GmbH, soweit der Anspruch nicht wirksam gepfändet worden sei. Nach § 9 Abs. 2 S. 1 des zwischen den Parteien am 9. Juni 2011 geschlossenen Gesellschaftsvertrages (GV) habe den übrigen Gesellschaftern ein Vorkaufsrecht an den Geschäftsanteilen zugestanden. Im Zeitpunkt der Veräußerung sei der Kläger der einzige Gesellschafter gewesen. Die Geltendmachung des Vorkaufsrechts sei fristgemäß erfolgt (§ 9 Abs. 2 S. 1 GV). Ob der Kläger im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts oder zu einem späteren Zeitpunkt noch Gesellschafter oder Geschäftsführer gewesen sei, sei unerheblich, weil es auf den Zeitpunkt der Veräußerung ankomme. Daher sei die streitige weitere Entwicklung der Gesellschafter- und Geschäftsführerentwicklung ohne Belang. Der Anspruch sei auch nicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, weil die Leistung nicht nachträglich unmöglich geworden sei. Soweit die Beklagte ihren Geschäftsanteil an M. R. veräußert habe, sei der Abtretungsvertrag schwebend unwirksam, da der Kläger seine erforderliche Zustimmung nicht erteilt habe.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen erster Instanz, einschließlich der dort von den Parteien gestellten Anträge sowie des Urteilstenors und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, wird auf das am 17. Juli 2020 verkündete Urteil der Zivilkammer 55 des Landgerichts Berlin - 55 O 154/19 -, dem Kläger zugestellt am 30. Juli 2020, Bezug genommen. Gegen dieses Urteil richtet sich die am 27. August 2020 eingereichte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am letzten Tag der Frist begründete Berufung des Klägers, mit der dieser das erstinstanzliche Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Soweit die Beklagte ihrerseits Berufung gegen das Urteil eingelegt hatte, wurde diese in der Zwischenzeit zurückgenommen.
Der Kläger begründet seine Berufung, mit der er sich gegen die Beschränkung der Verurteilung auf den den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wertmäßig übersteigenden Teil wendet, wie folgt:
Von Seiten des Landgerichts sei die formelle und materielle Wirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auf die Einwände des Klägers hin zu prüfen gewesen. Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2020 seien f...