Leitsatz (amtlich)
Der Fahrlehrer hat dafür zu sorgen, dass dem Fahrschüler (hier: 1,59 m große Frau auf Motorrad) keine Aufgaben gestellt werden, die er nicht bewältigen kann, weil sie dessen Ausbildungsstand oder Fähigkeiten (noch) nicht entsprechen.
Diese Pflicht ist nicht schon dadurch verletzt, dass der Fahrlehrer in der 4. Doppelstunde ein anderes, etwas größeres Motorrad (Yamaha Virago statt bisher Honda Rebel) als Schulungsfahrzeug auf einem Übungsgelände einsetzt, dessen Bedienungshebel für Kupplung und Bremse kaum messbare Unterschiede in ihren Abmessungen aufweisen.
In einem solchen Fall muss es sich dem Fahrlehrer - auch nicht nach Mitteilung des Schülers, er komme mit den Hebeln der größeren Maschine schlechter klar - aufdrängen, dass der Schüler allein wegen der geringen Abweichungen nicht in der Lage sein würde, das Motorrad nach einer kurzen Fahrt (10 m-40 m) ordnungsgemäß anzuhalten; er haftet daher nicht für die Folgen eines Sturzes, der dadurch verursacht wurde, dass der Schüler statt zu bremsen plötzlich Gas gegeben hat.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 09.08.2004; Aktenzeichen 24 O 291/04) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 9.8.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin - 24 O 291/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass der Klägerin kein Anspruch gegen die Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld auf Grund des Unfalls, den sie am 20. bzw. 21.5.2003 mit einem Kraftrad während der Übungsstunde erlitten hat, zusteht.
Das LG hat die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt und auch richtig erkannt, dass diese im vorliegenden Fall nicht gegeben waren.
Eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 2) ergibt sich weder aus der Tatsache, dass dieser die Klägerin in der 3. bzw. 4. Doppelstunde unangekündigt mit einer größeren Maschine, der Yamaha Virago 535 DX, als Schulungsfahrzeug konfrontierte, noch daraus, dass er die Kläger nach deren anfänglichem Zögern ermutigte, mit diesem Kraftrad auf dem Übungsgelände loszufahren.
a) Das Kraftrad Yamaha Virago war entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch unter Berücksichtigung ihrer Körpergröße von lediglich 1,59 cm für sie nicht grundsätzlich ungeeignet.
Der durch das Berufungsgericht beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. Ulrich W. hat in seinem nachvollziehbaren, ausführlichen Gutachten vom 21.2.2006, dem sich das Gericht anschließt, ausgeführt, dass die Klägerin bei der durch ihn durchgeführten Sitzprobe mit beiden Fußballen gleichzeitig den Boden erreichen konnte, als sie auf dem Fahrersitz der Maschine, der eine Höhe von 73 cm hat, aufsaß. Sie sei auch in der Lage gewesen, das Motorrad selbständig senkrecht in der Balance zu halten.
In seiner mündlichen Anhörung vom 4.9.2006 hat der Sachverständige zwar auch ausgeführt, dass bei bspw. Straßenunebenheiten für den Fahrer keine Reserve mehr vorhanden sei, wenn er lediglich mit den Fußballen und nicht mit der ganzen Fußsohle den Boden erreichen könne. In diesem Fall sei es erforderlich, dass der Fahrer die Maschine leicht seitlich neige um mit einem Fuß vollflächig den Boden berühren zu können. Dies sei jedoch, wie der Sachverständige weiter ausführte, vorliegend für den Unfall unerheblich und nicht ursächlich gewesen.
Die Klägerin konnte ihre Behauptung, sie sei auf Grund ihrer kleinen Hände nicht in der Lage gewesen, die Kuppplungs- und Bremshebel der Yamaha ordnungsgemäß zu bedienen, ebenfalls nicht erfolgreich unter Beweis stellen.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen ergaben sich hinsichtlich der Abmessungen der Hebel an dem Kraftrad Yamaha Virago und dem Kraftrad Honda Rebel 125, welches die Klägerin auch nach ihrem eigenen Vorbringen ohne Probleme zu bedienen in der Lage war, keine messbaren Unterschiede. Wie der Sachverständige auf S. 4, 5 seines Gutachtens ausführt, sind die Hebel an beiden Maschinen sowohl hinsichtlich des Abstandes vom Lenkergriff, als auch hinsichtlich des erforderlichen Kraftaufwandes zur Betätigung vergleichbar. Unterschiede bestanden nach den Angaben des Sachverständigen lediglich im Material der beiden Lenkergriffe, wobei der Griff der Honda Rebel vom Material her glatter ist und dieser in der Handhabung subjektiv damit möglicherweise einfacher erscheint.
Damit bestand für den Beklagten zu 2) kein Anlass davon auszugehen, die von ihm zu der Fahrstunde mitgebrachte Yamaha Virago werde für die Klägerin ungeeignet sein. Dies gilt auch dann, wenn - nach den Ausführungen des Sachverständigen denkbar - die Brems- und Kupplungshebel der Honda Rebel subjektiv einfacher zu bedienen sein sollten. Insoweit ist bereits fraglich, ob dies für alle Fahrer gleichermaßen gelten wird. Jedenfalls handelt es sich um derart geringe Bedienungsabweichungen, dass sie dem Beklagten zu 2) keine Veranlassung geben mussten, das Kraftrad als grundsätzlich ungeeignet ansehen z...