Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 06.05.2020; Aktenzeichen 97 O 67/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 06. Mai 2020 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 97 des Landgerichts Berlin - 97 O 67/19 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Dieses und das erstinstanzliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 99.000,00 EUR und im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung Sicherheit in Höhe von 99.000,00 EUR und im Übrigen Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil des Landgerichts Bezug genommen. Ergänzend wird ausgeführt:

Der Kläger macht Ansprüche auf Unterlassung von vermeintlich unzulässiger Werbung in ihrem Produktkatalog Winter für die Produkte "Biform Pflanzliches Aspirin" (nachfolgend auch nur: "pA"), "Biform Osteo'Form" (nachfolgend auch nur: "OF") sowie Safran Bio (nachfolgend auch nur: "SB") geltend, bei denen es sich jeweils um Nahrungsergänzungsmittel handelt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Anlage K 3 verwiesen (nachfolgend auch nur: "die Werbung"). Ferner begehrt er eine Abmahnkostenpauschale.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil der Klage stattgegeben. Mit ihrer Berufung möchte die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Die Beklagte rügt im Wesentlichen:

Das Landgericht sei fälschlich von einer Aktivlegitimation des Klägers ausgegangen.

Es läge keine krankheitsbezogene Werbung vor. Insbesondere würden die Begriffe "Schmerzen" und "Entzündungen" nicht zwingend auf eine Krankheit schließen lassen.

Soweit in der angegriffenen Werbung gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (im Folgenden auch nur: HCVO) gemacht würden, würden diese die in der genannten Verordnung aufgestellten Voraussetzungen erfüllen.

Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 06. Mai 2020, Az.: 97 O 67/19, abzuändern und die Klage vom 22. Juli 2019 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in zweiter Instanz eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen der Parteien sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. Oktober 2022 Bezug genommen.

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

A. Die Berufung ist gemäß §§ 511, 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt, mit einer Begründung versehen und auch im Übrigen zulässig.

B. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, denn der gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF (vgl. § 15a Abs. 1 UWG) anspruchsberechtigte Kläger kann sich in dem geltend gemachten Umfang auf Unterlassungsansprüche berufen und hat Anspruch auf die vom Landgericht zuerkannte Kostenpauschale.

1. Die Klage ist zulässig.

1.1. Der Kläger ist prozessführungsbefugt. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs folgt die Klagebefugnis des Klägers aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der bis zum 1. Dezember 2020 geltenden Fassung (aF).

1.1.1. Die Bestimmung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erfüllt eine doppelte Funktion, indem sie nicht nur einen materiellen Anspruch verschafft, sondern auch ein Prozessführungsrecht begründet (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2019 - I ZR 149/18 -, Rn. 17, juris - Umwelthilfe; Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 148/10 -, Rn. 12, juris - Glücksspielverband), die als Sachurteilsvoraussetzung auch zum - insoweit maßgeblichen (vgl. Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 8 Rn. 3.68) - Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren fortbestehen muss. Dabei ist das Gericht nicht an die förmlichen Beweismittel des Zivilprozesses gebunden, es gilt vielmehr der Grundsatz des Freibeweises (Senat, Urteil vom 4. Mai 2021 - 5 U 126/19 -, Rn. 20, juris).

1.1.2. Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF stehen Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitgliede...

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