Leitsatz (amtlich)

Die abstrakte Aufklärung über generell bestehende Kursrisiken von Wertpapierfonds genügt dann nicht, wenn zuvor eine an mögliche Kapitalanleger gerichtete Werbeaussage - zutreffende - Angaben über eine Mindestverzinsung in der Vergangenheit enthält, die geeignet sind, Fehlvorstellungen über die in der Zukunft zu erwartende sichere Rendite hervorzurufen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 12.08.2003; Aktenzeichen 21 O 68/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.8.2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 21 des LG Berlin - 21 O 68/03 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 31.000 Euro nebst 5 % Zinsen p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.3.2003 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung der in dem Depot-Nr.: ... befindlichen Anteile am Berolina Dynamik Depot, Typ Wachstum.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger erwarb bei der Beklagten am 19.3.2002 für 31.000 Euro Anteile am Fonds "Berolina Dynamik Typ Wachstum". Vorausgegangen war ein Angebotsschreiben der Beklagten vom 14.3.2002. Darin heißt es u.a.:

"Mit dem Berolina Dynamik-Depot bieten wir Ihnen ein aktives und professionelles Vermögensmanagement, abgestimmt auf ihre persönliche Anlegermentalität, durch einen der besten Fondsverwalter an. Zu unterscheiden sind 4 Berolina-Dymamik Depot-Varianten - Sicherheit, Wachstum, Chance und Premium - die durch einen unterschiedlichen Aktienanteil (von 25 % bis 100 %) gekennzeichnet sind. Kaufempfehlung Berolina-Dynamik Depot Wachstum ... Die Wertentwicklung einer Einmalanlage von DM 50.000 in dem Berolina-Dynamik Depot Wachstum (bis zu 50 % Aktienanteil) betrug in dem Zeitraum von Dezember 1993 bis Oktober 2001 ca. 6,9 % p.a. ..."

Wie sich aus dem Monatsbericht der Beklagten für Juni 2002 ergibt, hatte der Fonds seit seiner Einführung im November 2000 bis Juni 2002 jährliche Verluste von 10,72 % zu verzeichnen. Die Kursverluste beliefen sich allein bezogen auf die Zeit von Januar bis Juni 2002 auf 8,48 %.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei ihm wegen eines Beratungsverschuldens zur Rückerstattung des für den Erwerb der in der Urteilsformel näher bezeichneten Depotanteile geleisteten Kaufpreises verpflichtet, und zwar Zug um Zug gegen Rückübertragung dieser Anteile. Er hat behauptet, dass er im Hinblick auf das zudem irreführende Schreiben der Beklagten vom 14.3.2002 vor Erwerb der streitgegenständlichen Anteile am 19.3.2002 nicht von dem Kundenberater der Beklagten, dem Zeugen H., darauf hingewiesen worden sei, dass das genannte Depot seit Aufnahme in die Produktpalette der Beklagten bis zu dem vorgenannten Datum eine negative Wertentwicklung aufweise; vielmehr habe er den Zeugen unmittelbar vor dem Erwerb gefragt, ob er die 6,9 % bekomme, was dieser bestätigt habe.

Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 31.000 Euro Zug um Zug gegen Übertragung der in dem Depot-Nr.: ... befindlichen Anteile am Berolina Dynamik Depot, Typ Wachstum zu zahlen, und zwar nebst 5 % Zinsen p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung (17.3.2003)

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Zeuge H. habe die Ehefrau des Klägers telefonisch vorberaten und einen Prospekt übersandt. Am Kauftag selbst habe der Zeuge den Kläger auf die insb. in jüngster Zeit eingetretenen Kursverluste auch bei der gewählten Variante "Wachstum" aufmerksam gemacht, worauf dieser mitgeteilt habe, dass ihm dies bekannt sei, er aber der Meinung sei, dass die Aktien schon wieder steigen würden, und die in Rede stehende Anlage auch für einen längeren Zeitraum gedacht sei.

Das LG hat die Klage abgewiesen, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein Beratungsverschulden der Beklagten nicht bewiesen sei.

Der Kläger rügt mit der Berufung, das LG sei unzutreffend von einer anleger- und objektgerechten Beratung ausgegangen. Es habe sich dabei über die Behauptung hinweggesetzt, dass seine Ehefrau nach dem Erhalt des Angebotsschreibens der Beklagten vom 14.3.2002 bei dem Zeugen H. angerufen und auf sein - des Klägers - besonderes Sicherheitsbedürfnis hingewiesen habe. Das LG hätte dazu die Zeugin V. vernehmen müssen. An die Aufklärungspflicht des Zeugen seien vor dem Hintergrund des Schreibens vom 14.3.2002, das falsche Angaben enthalten habe, höhere Anforderungen zu stellen. Ein allgemeiner Hinweis auf die negative Entwicklung des Fonds in der Vergangenheit sei daher nicht ausreichend. Der Zeuge H. hätte dazu vielmehr konkrete Zahlen nennen müssen. Schließlich hätte das LG ihn, den Kläger, aus Gründen der prozessualen "Waffengleichheit" neben dem Zeugen ebenfalls zu Inhalt und Intensität der Beratung hören müssen.

Er beantragt, unter Abänd...

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