Leitsatz (amtlich)
1. Die zuständigen Entscheidungsträger des beklagten Landes trifft die Amtspflicht im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB zur ordnungsgemäßen Gewährleistung des Rechts der Angehörigen auf Totenfürsorge alle im Einzelfall möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um etwaige nahe Angehörige des Verstorbenen zu ermitteln und ihnen dessen Bestattung zu ermöglichen (vgl. OVG Münster, Urteil vom 19.4.2008 - 19 A 3665/06 -, juris Rn. 33). Hierzu gehört es, die Verfahrensabläufe der Behörden so zu organisieren, dass greifbare Ansätze zur Ermittlung von Angehörigen eines Verstorbenen, die der Polizei bei einem Leichenfund bekannt werden, auch weiteren Stellen, die sodann Angehörige zu ermitteln haben, hier insbesondere das Nachlassgericht und das Gesundheitsamt, bekannt werden.
2. Die Verletzung des Rechts auf Totenfürsorge als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG vermag Geldentschädigungsansprüche wegen immaterieller Beeinträchtigungen der totenfürsorgeberechtigten Angehörigen zu begründen; Voraussetzung ist, wie auch sonst, ein schwerwiegender Eingriff in dieses Recht.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 26.02.2015; Aktenzeichen 86 O 167/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Berlin vom 26.2.2015 - 86 O 167/14 - dahin abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Kläger verfolgen gegen das beklagte Land Amtshaftungsansprüche. Sie werfen ihm eine Verletzung ihres Rechts auf Totenfürsorge als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor. Der Bruder der Klägerin zu 1) und Schwager des Beklagten zu 2) war verstorben. Ein Gesundheitsamt des Beklagten veranlasste Feuerbestattung und Beisetzung des Verstorbenen in einem Urnengemeinschaftsgrab, ohne dass die Kläger davon erfuhren. Ein Hinweis, der zur vorherigen Ermittlung der Klägerin zu 1) und ihres Bruders als nächsten Angehörigen des Verstorbenen hätte führen können, war unbeachtet geblieben.
Die Kläger haben eine Geldentschädigung für ihre immateriellen in Höhe von jeweils 3.000 Euro begehrt. Das LG hat der Beklagten zu 1) 1.500 Euro und dem Beklagten zu 2) 1.000 Euro zugesprochen. Hiergegen richtet sich die Berufung des beklagten Landes.
Von der Darstellung weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.
Den Klägern steht gegen den Beklagten die ihnen von dem LG zugesprochene Geldentschädigung wegen einer Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung des Rechts auf Totenfürsorge aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1. Allerdings ist dem LG zu folgen, soweit es angenommen hat, dass Bedienstete des Beklagten bei der Ermittlung der Angehörigen des verstorbenen Bruders der Klägerin zu 1) Amtspflichten im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB verletzt haben, weil der von der Polizei ermittelte und in einem Tätigkeitsbericht auch festgehaltene Umstand, dass der Verstorbene über eine telefonisch erreichbare Lebensgefährtin verfügte, mit deren Hilfe die Angehörigen hätten ermittelt werden können, weder zur Kenntnis des Nachgerichts noch des Gesundheitsamtes gelangte. Hierbei kann dahinstehen, ob dieser Umstand in der Mitteilung der Polizei über die vorläufige Sicherstellung eines Nachlasses vom 11.5.2011 hätte enthalten sein müssen oder ob das Gesundheitsamt nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Ansatzpunkte zur Ermittlung von Angehörigen ausgeschöpft hat, indem es unterlassen hat, bei der Polizei nach dort möglicherweise im Rahmen der Sicherung des Nachlasses gewonnene Erkenntnisse anzufragen. Die zuständigen Entscheidungsträger des beklagten Landes waren jedenfalls gehalten, die Verfahrensabläufe der Behörden des Beklagten so zu organisieren, dass greifbare Ansätze zur Ermittlung von Angehörigen eines Verstorbenen, die der Polizei bei einem Leichenfund bekannt werden, auch weiteren Stellen, die sodann Angehörige zu ermitteln haben, hier insbesondere das Nachlassgericht und das Gesundheitsamt, bekannt werden. Andernfalls kommt der Beklagte seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Sachverhaltsaufklärung bei der Gewährleistung des Rechts der Angehörigen auf Totgenfürsorge nicht hinreichend nach (vgl. OVG Münster, Urteil vom 19.4.2008 - 19 A 3665/06 -, juris Rn. 33).
2. Der von den Klägern geltend gemachte und hier allein in Betracht kommende Amtshaftungsanspruch aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt aber weiter voraus, dass die verletzte Amtspflicht gerade gegenüber dem Anspruchsteller als dort genannten Dritten bestand. Das war hier, soweit es den Kläger zu 2) betrifft, nicht der Fall. Die von Bediensteten des Beklagten verletzte Amtspflicht zur ordnungsgemäßen Ermittlung von Angehörigen des Verstorbenen bestand nur gegenüber den bestattungspflichtigen Angehörigen im Sinne des § 16 Bestattungsgesetz Berlin - hier also den Gesch...