Normenkette

AVBFernwärmeV § 24 Abs. 4 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 02.07.2020; Aktenzeichen 51 O 168/19)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2. Juli 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 51 O 168/19 - geändert und unter Zurückweisung im Übrigen sowie unter Zurückweisung der Berufung der Kläger wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die Formel für die Änderung des Arbeitspreises in § 8 Absatz 4 des zwischen den Parteien am 17. August 2009 geschlossenen Wärmelieferungsvertrags unwirksam ist.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die in ihrem Schreiben vom 24. April 2019 an die Kläger enthaltene Preisanpassungsformel des Arbeitspreises [APW = APWO × (0,5*B/BO + 0,5* BI/BIO] ab dem 1. Mai 2019 in den Wärmelieferungsvertrag vom 17. August 2009 durch einseitige Erklärung einzuführen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten der ersten Instanz haben die Beklagte 47% und die Kläger 53% zu tragen. Von den Kosten der zweiten Instanz haben die Beklagte 43% und die Kläger 57% zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Seite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die jeweilige andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird wegen der Fragen zugelassen, ob die Unwirksamkeit einer den Arbeitspreis betreffenden Preisanpassungsklausel nach § 139 BGB die Unwirksamkeit der gesamten Preisanpassungsklausel - also beispielsweise hinsichtlich eines Bereitstellungspreises - zur Folge hat, und ob die Beklagte berechtigt ist, die in ihrem Schreiben vom 24. April 2019 enthaltene Preisanpassungsformel in den Wärmelieferungsvertrag durch einseitige Erklärung einzuführen.

 

Gründe

A. Die Kläger verlangen von der Beklagten Herausgabe wegen ungerechtfertigter Bereicherung. Die Parteien verbindet seit dem 17. August 2009 ein Wärmelieferungsvertrag (im Folgenden: Wärmelieferungsvertrag; Anlage K 2). Die Kläger sind der Ansicht, sie hätten der Beklagten für die Jahre 2015 bis 2019 zu viel Entgelt gezahlt. Sie meinen, die zwischen ihnen vereinbarte Preisänderungsklausel sei in Bezug auf den Arbeits- und den Bereitstellungspreis unwirksam. Für die Berechnung des Arbeitspreises sei als Einsatzfaktor stets 0,059 EUR anzusetzen, beim Bereitstellungspreis 5,04 EUR/m2/a.

Im Überblick ergäben sich daraus für die Abrechnungen 2015 bis 2018 folgende Überzahlungen:

Bereitstellungskosten in EUR

Arbeitskosten in EUR

gezahlt

zu zahlen

Differenz

gezahlt

zu zahlen

Differenz

2015

1.352,16

956,08

396,08

775,27

547,15

228,12

2016

1.368,10

956,08

412,02

892,49

634,41

258,08

2017

1.399,98

956,08

443,90

892,49

634,41

258,08

2018

1.429,56

956,08

473,48

885,61

625,01

260,60

1.725,48

1.004,88

gesamt

2.730,36

Vor diesem Hintergrund haben die Kläger zunächst eine Klage auf Rückzahlung von 2.741,45 EUR nebst Zinsen erhoben. Ferner haben sie beantragt festzustellen, dass die Preisänderungsklausel in § 8 Absatz 4 des die Parteien verbindenden Wärmelieferungsvertrags vom 17. August 2009 unwirksam ist, bzw. festzustellen, dass die Preisänderungsklausel aus einem Schreiben der Beklagten vom 24. April 2019, mit dem diese angekündigt hat, eine neue Preisänderungsklausel in den Wärmelieferungsvertrag einzuführen, "unwirksam" ist.

Das Landgericht Berlin, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ZPO Bezug genommen wird, ist der Ansicht, die zwischen den Parteien vereinbarte Preisanpassungsklausel verstoße in Bezug auf den Arbeitspreis gegen das Transparenzgebot des § 24 Absatz 4 Satz 2 AVB-FernwärmeV. Diese Unwirksamkeit habe entsprechend § 139 BGB zur Folge, dass die gesamte Preisänderungsklausel unwirksam ist. An die Stelle der unwirksamen Vertragsabreden träten im Wege ergänzender Vertragsauslegung die von der Beklagten für das Jahr 2014 zugrunde gelegten Preise (Bereitstellungspreis: 7,008 EUR/m2/a; Arbeitspreis: 0,0838 EUR/kWh). Hiernach hätten die Kläger für die eingeklagten Jahre 2015 bis einschließlich 2018 einen Anspruch auf Herausgabe von insgesamt netto 179,85 EUR (17,56 + 27,84 + 52,07 + 82,38).

Da die Preisänderungsklausel unwirksam ist, sei auch die Zwischenfeststellungsklage in Bezug auf § 8 Absatz 4 des die Parteien verbindenden Wärmelieferungsvertrags begründet. Ferner sei die weitere Feststellungsklage begründet. Denn die Beklagte sei nicht befugt, den zwischen den Parteien geltenden Preis einseitig festzusetzen.

Gegen diese ihrer Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 14. Juli 2020 zugestellte Entscheidung, Blatt 119 Band I der Akte, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 21. Juli 2020 am 23. Juli 2020 beim Kammergericht Berufung eingelegt und mit einem beim Kammergericht am 9. September 2020 eingegangenen Schriftsatz vom 7. September 2020 begründet.

Die Be...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge