Entscheidungsstichwort (Thema)

Young-Anleihe von 1930: Ermittlung der "Währung mit der geringsten Abwertung" nach dem Londoner Schuldenabkommen von 1953

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verfahren nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AuslSchuldAbkAG sind nach der Zivilprozessordnung zu behandeln und zu entscheiden (zu B.I.).

2. Die "Währung mit der geringsten Abwertung" gemäß Anlage I A.2.(e) Abs. 2 des Abkommens über Deutsche Auslandsschulden von 1953 (Währungssicherungsklausel) ist nach dem Kursverhältnis zwischen Emissionswährung und US-Dollar zu ermitteln (zu B.II.2.d.bb.). Dabei ist - ab dem in der Klausel genannten Anfangsdatum vom 1. August 1952 - die gesamte Laufzeit der Verbindlichkeit in den Blick zu nehmen. Soweit die sog. Schattenquote betroffen ist, kommt es daher auf die Wertentwicklung im Zeitraum vom 1. August 1952 bis zum 4. Oktober 2010 an (zu B.II.2.d.cc.).

3. An Stelle von "Währung mit der geringsten Abwertung" kann nicht im Wege der Auslegung "Währung mit der höchsten Aufwertung" gelesen werden, weil die Parteien des Schuldenabkommens den Anleihegläubigern keine Teilhabe an Aufwertungsgewinnen anderer Emissionswährungen gewähren wollten. Die Währungssicherungsklausel ist auch nicht nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage entsprechend anzupassen (zu B.II.2.e.).

4. Indem sie Fundierungsschuldverschreibungen 1990 für Zinsrückstände der Young-Anleihe bezogen haben, haben die Anleihegläubiger der durch das Bezugsangebot konkretisierten Regelung wirksam zugestimmt, dass "Währung mit der geringsten Abwertung" der Belgische Franken sei (zu B.III.1.).

 

Normenkette

AuslSchuldAbkAG §§ 11, 77; BGB §§ 145, 313, 793; AuslSchuldAbkAG § 2 Fassung: 1953-08-24

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 23.11.2017; Aktenzeichen 13 O 109/16)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 23. November 2017 verkündete Anerkenntnisteil- und Schlussurteil der Zivilkammer 13 des Landgerichts Berlin - Geschäftsnummer 13 O 109/16 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das vorliegende Urteil und das angefochtene Anerkenntnisteil- und Schlussurteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger nimmt die beklagte Bundesrepublik (fortan: die Beklagte) aus von der Beklagten emittierten Bezugsscheinen für Fundierungsschuldverschreibungen und aus Fundierungsschuldverschreibungen im Zusammenhang mit der "Internationale[n] 5 1/2 %-Anleihe des Deutschen Reiches von 1930" (fortan: Young-Anleihe) auf Zahlung in Anspruch.

Im Jahr 1930 begab das Deutsche Reich diese Anleihe in neun verschiedenen Währungstranchen, darunter in Schweizer Franken (fortan: CHF), in belgischem (fortan: BEF) und in französischem Franc (fortan: FRF). Nach der Originalfassung des General Bond zu Ziffer II. sollten diese Währungstranchen "rank pari passu in all respects" (Anlage 3 zum Schriftsatz vom 4. August 2017; deutsche Übersetzung in Anlage 8 zum Schriftsatz vom 13. Juli 2017: "sollen in jeder Hinsicht gleichen Rang haben").

Der Zinscoupon von 5,5 % p.a. wurde u.a. in den Jahren 1945 bis 1952 nicht bedient (sog. Schattenquote). Im Jahre 1953 erzielte die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches eine Einigung mit den Gläubigerstaaten im Rahmen des Abkommens über Deutsche Auslandsschulden (sog. Londoner Schuldenabkommen, fortan: LSchA). In der Anlage I zum LSchA ist zur Young-Anleihe unter A.2.(e) Abs. 2 vorgesehen:

"Sollte sich der am 1. August 1952 für eine der Emissionswährungen maßgebende Wechselkurs später um 5 v.H. oder mehr ändern, so sind die nach diesem Zeitpunkt fälligen Raten zwar nach wie vor in der Währung des Emissionslandes zu leisten; sie sind jedoch auf der Grundlage der Währung mit der geringsten Abwertung (im Verhältnis zu dem Wechselkurs vom 1. August 1952) zu berechnen und zudem im Zeitpunkt der Fälligkeit der betreffenden Zahlung maßgebenden Wechselkurs wieder in die Emissionswährung umzurechnen." (Hervorhebung nur hier)

In der Folge emittierte die Beklagte betreffend die Zinsrückstände aus der Schattenquote Bezugsscheine über den Anspruch auf Auslieferung von dreiprozentigen Schuldverschreibungen gemäß den Bestimmungen des LSchA (vgl. Anlage 1 zur Klageschrift). Die Fundierungsschuldverschreibungen sollten im Falle der Wiedervereinigung Deutschlands gegen Übergabe des Bezugsscheins ausgegeben werden. In den Bezugsscheinen heißt es weiter u.a. wie folgt:

"Die Rückstände werden bei der Fundierung (...) gemäß den Bestimmungen in Anlage I, A, 2 (e) des oben erwähnten Abkommens berechnet."

Am 15. August 1971 hob die US-Regierung die Gold-Konvertibilität des USD auf. In der Folge wurden die Umtauschverhältnisse zwischen den Währungen nicht mehr durch das nach der Übereinkunft von Bretton Woods etab...

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