Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 25.01.1994; Aktenzeichen 19 O 113/93) |
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung der Beklagten richtet sich gegen die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes über 40.000 DM hinaus, die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige immaterielle Schäden sowie gegen den auf das Anerkenntnis-Teilurteil entfallenden Teil der Kostenentscheidung.
Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben und dem Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
1. Das vom Landgericht für angemessen gehaltene Schmerzensgeld von 65.000 DM ist zum Ausgleich der der Klägerin durch den Verkehrsunfall vom 27. März 1990 entstandenen immateriellen Schäden erforderlich. Hierdurch wird der großen Vielzahl der schweren Verletzungen der Klägerin und dem hohen Ausmaß der ihr zugefügten Lebensbeeinträchtigungen genügend Rechnung getragen.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist von seiner Doppelfunktion auszugehen (vgl. BGHZ 18, 149 = NJW 1955, 1675; KG, DAR 1987, 151 = VerkMitt 1986, 69 = VRS 72, 331, 333). Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind, und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung dafür schuldet, was er ihm angetan hat. Der Entschädigungs- und Ausgleichsgedanke steht im Vordergrund. Die wesentliche Grundlage für die Bemessung des Schmerzensgeldes bilden das Maß und die Dauer der Lebensbeeinträchtigung, die Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen und Leiden sowie Dauer der Behandlung und der Arbeitsunfähigkeit, Übersehbarkeit des weiteren Krankheitsverlaufes, Fraglichkeit der endgültigen Heilung sowie ferner Grad des Verschuldens und die Gesamtumstände des Falls (Senat, Urteil vom 19. Dezember 1994 - 12 U 6454/92 -). "An sich" gibt es keine angemessene Entschädigung für nicht vermögensrechtliche Nachteile, da diese in Geld unmittelbar nicht messbar sind. Unter Berücksichtigung der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion, die eine billige Entschädigung im Sinne des § 847 BGB fordert, ist auf den Einzelfall abzustellen. Dabei ist nicht der aus der Rechtsprechung ersichtliche Rahmen zu sprengen (KG, DAR 1987 aaO.).
Unstreitig erlitt die Klägerin durch den Unfall folgende polytraumatische Verletzungen:
Oberschenkel-Trümmerfraktur links,
Sitzbein- und Azetabulumfraktur links
(Azetabulum = Gelenkpfanne des Oberschenkelhalses),
Beckenringfraktur rechts,
Patella Trümmerfraktur links
(Patella = Kniescheibe)
mit anschließender Entfernung der Kniescheibe (Patellektomie am 26. April 1990),
Ulnarschaftfraktur links
(Ulnar = Elle)
mit anschließender Plattenosteosynthese am 2. April 1990, Rippenfrakturen Nr. 10 und 11 rechtsseitig, Schädelhirntrauma mit anterograder und retrograder Amnesie (vor- und nachgehender Gedächtnislücken), Augenbrauen- und Stirnkopfplatzwunden.
Der offene Oberschenkel-Trümmerbruch links wurde mit einem Marknagel und mehreren Schrauben zusammengeführt. Der Marknagel befand sich insgesamt 2 1/2 Jahre im linken Oberschenkel. Zwei Schrauben wurden beim Klinikaufenthalt vom 15. Juli bis 22. Juli 1991 im M.L.-Krankenhaus entfernt. Das Bein musste zur Operation und zur späteren Entfernung des Materials mehrfach geöffnet werden, so zur Entfernung der Kniescheibe links am 26. April 1990. Das Bein ist oberflächlich vollständig vernarbt. Die Klägerin musste das Bein zur Förderung des Heilungsprozesses monatelang stillhalten und konnte es mit Muskelkraft nicht bewegen. Sie war für mehrere Monate auf den Rollstuhl angewiesen.
Der Klinikaufenthalt zur Erstversorgung im R.V.-Krankenhaus betrug ca. 2 Wochen, der anschließende Aufenthalt in der Rehabilitationsklinik "Klinik Berlin" ca. 5 1/2 Monate. Zur Materialentfernung am linken Arm musste sie vom 15. Juli bis 22. Juli 1991 für eine Woche ins Krankenhaus, zur Anlegung einer Spongiosa Plastik, wobei ein Stück Knochen von einer anderen Körperstelle in den linken Oberschenkel eingeführt wurde, war sie vom 26. August bis zum 7. September 1991 ca. 2 Wochen im M.L.-Krankenhaus. Sie war weiter zu einer sogenannten Narbenspaltung am linken Knie vom 23. September bis zum 9. Oktober 1991 ca. 2 Wochen im M.L.-Krankenhaus, anschließend vom 10. Oktober 1991 bis zum 7. November 1991 ca. 4 Wochen lang in der Rehabilitationsklinik "Klinik Berlin" zur Anschlussbehandlung. Schließlich war sie vom 27. August bis zum 3. September 1992 für ca. 1 Woche in stationärer Krankenhausbehandlung zur Entfernung des Marknagels aus dem linken Oberschenkel im M.L.-Krankenhaus.
Nochmals befand sich die Klägerin in der Zeit vom 21. Juli bis zum 18. August 1993 zur stationären Heilbehandlung in der Fachklinik für Orthopädie, Neurologie und Rehabilitation in Bad S. (Klinik H.M.). Hieraus ergibt sich insgesamt eine stationäre Behandlungsdauer von 9 1/2 Monaten, nach ...