Leitsatz (amtlich)
Anfechtungsgegner und Schuldner i.S.d. § 143 Abs. 1 InsO ist nur derjenige, der ggü. der Gläubigergesamtheit dadurch bevorzugt worden ist, dass er den wirtschaftlichen Wert aus dem Vermögen des Schuldners durch die anfechtbare Handlung empfangen hat.
Wer einen fremden Anspruch im eigenen Namen kraft erteilter Ermächtigung i.S.d. § 185 BGB geltend macht, ist nicht Empfänger und damit auch nicht Rückgewährschuldner i.S.d. § 143 Abs. 1 InsO.
Normenkette
InsO § 143 F
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 26 O 299/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5.10. verkündete Urteil der Zivilkammer 26 des LG Berlin – 26 O 299/01 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO a.F. i.V.m. § 26 Nr. 5 EGZPO abgesehen.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist in vollem Umfang begründet. Das LG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben; denn die Beklagte ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht passiv legitimiert.
I. 1. Nach § 143 Abs. 1 InsO ist grundsätzlich das zurückzugewähren, was der Insolvenzmasse entzogen ist, und nicht, was dem Vermögen des Anfechtungsgegners zugeflossen ist (BGHZ 124, 298 [302]). Das bedeutet aber nicht, dass damit im vorliegenden Fall die Haftung der Beklagten begründet ist. Nach dem Sinn und Zweck des Rückgewähranspruchs ist Anfechtungsgegner und damit Schuldner i.S.d. § 143 Abs. 1 InsO nur derjenige, der ggü. der Gläubigergesamtheit bevorzugt worden ist. Maßgeblich ist daher, wer den wirtschaftlichen Wert aus dem Vermögen des Schuldners erhalten hat (BGH ZIP 1999, 1764 [1765 f.]). Unerheblich ist danach zwar, ob der Empfänger den anfechtbar erhaltenen Gegenstand an einen Dritten weitergibt. Empfänger ist jedoch nur derjenige, der einen eigenen Anspruch auf Leistung gegen den Schuldner hat. Wer dagegen einen fremden Anspruch im eigenen Namen kraft erteilter Ermächtigung i.S.d. § 185 BGB geltend macht, ist nicht Empfänger und damit auch nicht Rückgewährschuldner i.S.d. § 143 Abs. 1 InsO.
2. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ist die Beklagte nicht passiv legitimiert.
a) Die Beklagte wird gem. 34 Abs. 2 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12.11.1986 i.d.F. vom 26.5.1999 (VTV) nur als Einzugsstelle tätig. Anspruchsinhaber ist gem. § 34 Abs. 1 VTV die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse (ULAK). Der Senat sieht in diesem Fall keinen Anlass, die Beklagte anders als eine schlichte Zahlstelle zu behandeln. Es handelt sich i.E. um eine tarifvertraglich bestimmte Form der Prozessstandschaft.
b) Daran ändert auch nichts der Umstand, dass sich die Rechtslage im Rahmen des § 28h Abs. 1 SGB IV anders darstellt. Die Einzugsstelle tritt nach dieser Bestimmung ggü. den Beitragsschuldnern als Inhaberin der Gesamtforderung auf. Sie entscheidet gem. § 28h Abs. 2 SGB IV über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe und hat kraft Gesetzes einen eigenen Anspruch auf Abführung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Arbeitgeber (vgl. OLG Hamburg v. 15.12.2000 – 1 U 91/00, ZIP 2001, 708 [710]). So ist die tarifliche Regelung im vorliegenden Fall aber nicht ausgestaltet. Die Verfügungsmacht der Sozialkassen wird durch die Einzugsermächtigung nicht eingeschränkt. Das kommt auch in dem Vollstreckungsbescheid vom 18.3.1998 und aus dem Briefkopf der Beklagten zum Ausdruck. Daraus folgt, dass die Beklagte nur als Einzugsstelle einer fremden Forderung im eigenen Namen fungiert und damit keine eigenen Ansprüche durchsetzt (vgl. auch BAG AP 1980, § 4 TVG Nr. 1; BAG AP 1991, § 4 TVG Nr. 11). Es ist von der Klägerin nichts dazu vorgetragen worden, dass sie im vorliegenden Rechtsstreit nicht erkennen konnte, dass der streitige Geldbetrag nicht dem Vermögen der Beklagten, sondern der U. zugeflossen ist.
c) Hätte die Klage unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung Erfolg, müsste die Beklagte jedenfalls im vorliegenden Fall i.E. doppelt zahlen, weil sie ggü. der befriedigten U. keinen Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 2 BGB durchsetzen konnte. Die U. kann sich wegen der nach § 146 Abs. 1 InsO inzwischen eingetretenen Verjährung des Anfechtungsanspruchs auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen. Die Verjährungsfrist von zwei Jahren beginnt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 20.5.1999 und ist daher abgelaufen. Die Einrede der Verjährung könnte die U. auch ggü. der Beklagten gem. §§ 412, 404 BGB geltend machen. Dieses Ergebnis ist durch nichts gerechtfertigt.
II. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Stummeyer Renner Steinecke
Fundstellen
Haufe-Index 1102839 |
EWiR 2003, 777 |
ZIP 2003, 589 |
NZI 200... |