Leitsatz (amtlich)
1. Der aufklärungspflichtige Arzt hat - notfalls durch Beiziehung eines Sprachmittlers - sicherzustellen, das der ausländische Patient der Aufklärung sprachlich folgen kann (Aufgabe von KG vom 15.1.1998 - 20 U 3654/96 = MedR 1999, 226).
2. Eine Embolie stellt bei einer "einfachen" (arthroskopischen) Knieoperation ein aufklärungspflichtiges Risiko dar.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 12.10.2006; Aktenzeichen 6 O 527/04) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 12.10.2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 6 des LG Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schmerzensgeld und Schadensersatz aus angeblicher ärztlicher Fehlbehandlung. Die Kläger sind Ehemann und Kinder der F. B., die nach einer athroskopischen Meniskusoperation im Hause der Beklagten am 9.7.2002 am 22.7.2002 nach Lungenarterienembolie nach linksseitiger Beinvenenthrombose verstarb.
Auf den Tatbestand des Urteils des LG vom 12.10.2006 wird Bezug genommen.
Die Kläger verlangen jeweils einzeln eigenes Schmerzensgeld wegen Verlust von Ehefrau bzw. Mutter sowie als Gesamtgläubiger und Erben Schmerzensgeld nach der Erblasserin wegen Behandlungs- und Aufklärungsfehlern.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Für einen eigenen Schmerzensgeldanspruch der Kläger fehle es bereits am substantiierten Vortrag zu über das normale Maß an Beeinträchtigungen wegen Todes eines nahen Angehörigen hinausgehenden schweren Beeinträchtigungen der Kläger. Auch für den ererbten Schmerzensgeldanspruch der Erblasserin fehle es am Vortrag zu den Beeinträchtigungen der Erblasserin. Im Übrigen liege kein Behandlungsfehler vor, die Thromboseprophylaxe sei nach den Ausführungen des Sachverständigen korrekt verlaufen. Ein Aufklärungsfehler liege ebenfalls nicht vor; die Erblasserin habe offensichtlich genug Deutsch verstanden, um den Anamnesebogen auszufüllen, so dass die aufklärende Ärztin bei fehlender Rückfrage darauf habe vertrauen dürfen, die Erblasserin habe die Aufklärung verstanden. Über Embolien sei im Übrigen nicht aufzuklären, diese Gefahr sei allgemein bekannt; deswegen müsse auch nicht über einen möglicherweise tödlichen Verlauf aufgeklärt werden.
Die Kläger meinen, zu ihren Beeinträchtigungen durch den plötzlichen Tod der Erblasserin habe ein Gutachten eingeholt werden müssen, sie könnten hierzu mangels Fachkunde nichts vortragen. Auch zum Leid der Erblasserin habe ein Gutachten eingeholt werden müssen. Zudem sei das Sachverständigengutachten lückenhaft und ohne Ergänzung geblieben, die Differenzierung nach Thromboserisiken bleibe unerläutert. Das LG hätte hier ein Ergänzungsgutachten einholen müssen. Die Aufklärung der Erblasserin bei diesem nicht lebensnotwendigen Eingriff hätte umfassend auch das Todesrisiko umfassen müssen; dieses Risiko wäre die Erblasserin wegen ihrer Kinder nie eingegangen. Die aufklärende Ärztin habe nicht davon ausgehen dürfen, dass der Erblasserin die mit einer Embolie einhergehenden Gefahren bekannt gewesen seien, dies dürfe man bei Ausländern nicht voraussetzen. Auch hätte man einen Dolmetscher hinzuziehen müssen, da sie nur wenig Deutsch gesprochen habe und man nicht davon habe ausgehen dürfen, dass sie auch medizinische Fachbegriffe verstehe.
Sie verfolgen mit der Berufung ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil und behauptet, die Zeugin B. habe umfassend auch über die mit einer Embolie verbundenen Gefahren aufgeklärt und den Eindruck gewonnen, die Erblasserin habe ihren Erläuterungen folgen können. Das LG sei zudem zu Recht von Unsubstantiierung der Ansprüche auf Schmerzensgeld ausgegangen. Das Sachverständigengutachten sei ausreichend, die Kläger hätten keine erheblichen Einwendungen gegen es formuliert. Im Übrigen könne Heparin eine Thrombose nicht mit Sicherheit verhüten.
Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin N. geb. B. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
II. Die Berufung war zurückzuweisen, da die Klage unbegründet ist.
Zu Recht hat das LG hinsichtlich der geltend gemachten eigenen Schmerzensgeldansprüche der Kläger den Vortrag von Anknüpfungstatsachen für eine über den Normalfall hinausgehende Betroffenheit durch den Tod der Erblasserin vermisst. Zwar müssen die Kläger als medizinische Laien nicht detaillierte Krankheitsbilder beschreiben, doch sie müssen jedenfalls darlegen, dass es überhaupt zu einer Beeinträchtigung mit Krankheitswert durch den Verlust der Erblasserin gekommen ist ("depressive Störung mit Krankheitswert, die nach Art und Schwere deutlich über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgeht, denen nahe Angehörige bei Todesnachrichten erfahrungsgemäß ausgesetzt sind", so BGHZ 56, 153 [164 ff.] und BGHZ 93, 351 [355 ff.]). Dazu fehlt es an Vortrag in beiden Instanzen, "Depression" allein beim Kläger (Ehemann) ohne Angabe z.B. vom ...