Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 9 O 455/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25. Februar 2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin - Geschäftsnummer 9 O 455/14 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 13.000 EUR nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Oktober 2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen haben die Klägerin 40 % und die Beklagten als Gesamtschuldner weitere 60 % zu tragen. Die Klägerin hat jeweils 40 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und zu 2) zu tragen, im Übrigen tragen die Beklagten ihre Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Gemäß § 540 Abs. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen. Von der Darstellung des Tatbestandes im Übrigen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Die nach § 511 Abs. 1 ZPO statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß den §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung ist zum Teil begründet, denn die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen die getroffene Entscheidung nur zum Teil, § 513 Abs. 1 ZPO.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1) als Anliegerin gemäß §§ 823 Abs. 1, 2 BGB iVm. § 3 Abs. 1, Abs. 4 des Berliner Straßenreinigungsgesetzes (StrReinG Bln), 253 Abs. 2 BGB Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld wegen mangelnder Überwachung der zur Wahrnehmung des Winterdienstes bestellten Beklagten zu 2).
1.1. Das Landgericht ist ohne Rechtsverletzung davon ausgegangen, dass die Klägerin vor dem Anwesen des Gebäudes der Beklagten zu 1) in einem räum- und streupflichtigen Bereich aufgrund von Glätte gestürzt ist. Auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil kann Bezug genommen werden. Im Hinblick auf die in der Berufungsinstanz erhobenen Beanstandungen ist hierzu nur das Nachfolgende zu ergänzen:
1.1.1. Aufgrund der Schilderung des in erster Instanz vernommenen Zeugen V. steht fest (§ 286 ZPO), dass die Klägerin nach ihrem Sturz an der Stelle zum Liegen gekommen ist, welche der Zeuge auf der von ihm angefertigten Skizze markiert hat. Weiter steht aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung fest, dass die in Bewegung befindliche Klägerin nicht erst dort ausgeglitten ist, wo sie von den Zeugen liegend vorgefunden wurde. Vielmehr ist sie an einer Stelle zu Fall gekommen, die - ausgehend von der Gehrichtung - vor der Stelle liegt, auf der sie liegend aufgefunden wurde. Die Gehrichtung der Klägerin ergibt sich aus dem unstreitigen Vorbringen erster Instanz, wonach die Klägerin auf der dem Gebäude der Beklagten zu 1) zugewandten Seite der Kö.- straße in Richtung Kl.- straße ging. Dass die Klägerin sich dabei parallel zu den Gebäuden bewegte, ergibt sich auch aus dem von dem Zeugen V. bekundeten Umstand, dass am Schadenstag - ganz wie auf den Lichtbildern K11.1 und K11.2 - in der Einfahrt große Müllbehälter standen. Selbst wenn also die Klägerin auf den zum Rauchen genutzten Hintereingang des Gebäudes der K. -Stiftung zugehen hätte wollen, um diesen ungeachtet der winterlichen Witterung zum Betreten des Gebäudes zu nutzen, hätte sie zunächst parallel zum Gebäude weitergehen müssen. Mit dem erstmals in zweiter Instanz angebrachten Vortrag, die Klägerin sei demgegenüber quer über die Garageneinfahrt auf die Stelle zugegangen, wo die in erster Instanz vernommenen Zeugen rauchend standen, um dort das Gebäude zu betreten, können die Beklagten vor diesem Hintergrund kein Gehör finden, § 531 ZPO. Insbesondere ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin kein Anhalt, dass sie ihrerseits vorgetragen hätte, seinerzeit diesen Hintereingang nutzen zu wollen. Solcher Anhalt folgt nicht aus den mit Kugelschreiber angebrachten Markierungen auf den Lichtbildern K11.1 und K11.2. Diese sind zudem nicht eindeutig: Während die die Laufrichtung bezeichnenden Pfeile auf einen gewissen Abstand von der Entwässerungsrinne hindeuten, liegt die schriftsätzlich als Sturzort bezeichnete, schraffierte Fläche direkt an der Entwässerungsrinne. Im Hinblick hierauf hat das Berufungsgericht die Klägerin im Termin ergänzend angehört. Die Klägerin hat dabei bestätigt, keinerlei Anlass gehabt zu haben, in die Garageneinfahrt hineinzugehen, weil sie das Gebäude stets durch den Haupteingang in der Kl.- straße betrete.
1.1.2. An der Stelle, an welcher die Klägerin zu Fall gekommen ist, war die Beklagte zu 1) originär räum- und streupflichtig. Dies folgt aus § 3 Abs. 1, Abs. 4 StrReinG Bln. Sind bei einer Straße - wie vorliegend - Fahrbahn und Gehweg nicht durch bauliche Maßnahmen, Verkehrseinrichtun...