Leitsatz (amtlich)
Die sukzessiv von verschiedenen anderen Mitarbeitern des Autoverkäufers erschlichene Herausgabe von Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren zum Zwecke der Untersuchung des Fahrzeugs bzw. der Umschreibung und die spätere eigenmächtige Mitnahme des Fahrzeugs vom Firmengelände bedeutet nach der Verkehrsauffassung keine willentliche Aufgabe und Übertragung des Besitzes am Fahrzeug unter einheitlicher Übergabe aller Verkaufsunterlagen, sondern hierdurch kommt dem Autoverkäufer das Fahrzeug iim Sinne des § 935 BGB abhanden.
Ein gutgläubiger Erwerb des Fahrzeugs durch denjenigen, dem der Täter das Fahrzeug in betrügerischer Absicht weiterverkauft hat, kommt nicht in Betracht.
Normenkette
BGB §§ 932, 935, 985
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 4 O 392/00) |
Tenor
Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das am 11.12.2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 4 des LG Berlin – 4 O 392/00 – unter gleichzeitiger Zurückweisung der Berufung der Beklagten teilweise geändert und einheitlich wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin den Kfz-Brief Nr. BR 372090 für den PKW … herauszugeben.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 10.313,99 Euro (= 20.172,42 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 28.3.2001 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO a.F. i.V.m. § 26 Nr. 5 EGZPO abgesehen.
Tatbestand
Die Klägerin verkauft Fahrzeuge. Der in einem der Klägerin angeschlossenen Fahrzeug-Center tätige Zeuge B., der von den Mitarbeitern der Klägerin als Kollege angesehen wurde, schloss mit der Klägerin einen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Gebrauchtfahrzeug, welches auf dem Firmengelände untergestellt war. Die Zahlung sollte zu einem nachfolgenden Zeitpunkt erfolgen. Unter der Vorgabe, das Fahrzeug untersuchen zu wollen, erhielt er von einem Mitarbeiter der Klägerin die Fahrzeugschlüssel. Von einer anderen Mitarbeiterin erhielt er die Fahrzeugpapiere, um das Fahrzeug schon auf sich umschreiben zu lassen. Nachdem das Fahrzeug umgeschrieben war, übergab er einer weiteren Mitarbeiterin der Klägerin einen Scheck. Diese übergab dem Zeugen die schon vorbereiteten Verkaufsunterlagen und ging mit ihm zur Kasse, wo die Zahlung abgewickelt werden sollte. Dort wurde festgestellt, dass der Scheck nicht gedeckt war und der Zeuge gab auf Aufforderung die Verkaufsunterlagen zurück. Gleichwohl nahm er das Fahrzeug in seinen Besitz, entfernte es vom Gelände der Klägerin und verkaufte es kurz darauf unter Übergabe der Fahrzeugschlüssel und der Fahrzeugpapiere, die er in seinem Besitz behalten hatte, an die Beklagte, der er betrügerisch vorspiegelte, Eigentümer des Fahrzeugs zu sein und dieses frei von Rechten Dritter sei. Das Fahrzeug wurde von der Polizei auf dem Gelände der Beklagten beschlagnahmt und nachfolgend an die Klägerin herausgegeben. Der Fahrzeugbrief, der nicht auffindbar war, verblieb bei der Beklagten.
Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin von der Beklagten die Herausgabe des Fahrzeugbriefs verlangt, was die Beklagte unter Bestreiten eines Abhandenkommens und unter Berufung auf einen gutgläubigen Erwerb verweigerte. Ferner hat die Klägerin erstinstanzlich Feststellung dahin begehrt, dass die Beklagte zum Ersatz des der Klägerin durch die Nichtherausgabe des Fahrzeugbriefs entstehenden Schadens verpflichtet ist. Das LG hat der Klage stattgegeben. Nach Zustellung des Urteils hat die Beklagte den Brief zur Abwendung der Zwangsvollstreckung herausgegeben.
Die von der Beklagten eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. Die Anschlussberufung der Klägerin, mit der sie nach Herausgabe des Fahrzeugbriefs und nachfolgendem Weiterverkauf des Fahrzeugs unter Umstellung des Feststellungsantrags in einem Zahlungsantrag auf der Basis zweier Sachverständigengutachten den eingetretenen Wertverlust als Schaden geltend gemacht hat, ist begründet.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet, während die unselbstständige Anschlussberufung der Klägerin begründet ist.
I. Der Klägerin steht aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung des LG, auf die Bezug genommen wird und denen der Senat folgt, gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe des Kfz-Briefes zu. Das Berufungsvorbringen der Beklagten ist nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Ergänzend ist anzumerken:
Zunächst steht dem Anspruch nicht entgegen, dass die Beklagte den Kfz-Brief nach Abschluss der ersten Instanz herausgegeben hat, da dies unter Berücksichtigung des – das Eigentumsrecht der Klägerin nach wie vor leugnenden – Berufungsvortrags der Beklagten ersichtlich keine freiwillige Erfüllungshandlung, sondern nur eine Maßnahme zur Abwendung der Zwangsvollstreckung war, die kein erledigendes Ereignis darstellt (BGH v. 8.5.1985 – IVa ZR 138/83, BGHZ 1994, 268 [274] = MDR 1985, 825).
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