Leitsatz (amtlich)

1. Der zwischen einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen (Infrastrukturunternehmen) und einem privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen geschlossene Infrastrukturvertrag ist nicht als Werkvertrag, sondern als Mietvertrag zu qualifizieren.

2. Die Gewährung des räumlichen Nutzungsrechtes der Schienentrasse gibt dem Infrastrukturvertrag sein Gepräge. Daneben vom Infrastrukturunternehmen geschuldete Planungs- und Koordinationsleistungen (Bedienen von Weichen, Signalen, etc.) haben lediglich dienende Funktion.

3. Die sich aus dem Infrastrukturvertrag ergebende Leistungspflicht des Infrastrukturunternehmens ist nicht im Sinne einer "Pünktlichkeitsgarantie" erfolgsbezogen. Das Infrastrukturunternehmen ist lediglich zu einer diskriminierungsfreien Eröffnung der von ihr vorgehaltenen Eisenbahninfrastruktur verpflichtet. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot liegt nur dann vor, wenn das Eisenbahnverkehrsunternehmen bei der Erbringung der für die Steuerung- und Zugsicherung erforderlichen Dienste ggü. anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen, insb. bei der Abwicklung von Betriebsstörungen benachteiligt. Eine Diskriminierung in diesem Sinne war aus tatsächlichen Gründen nicht festzustellen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 13.08.2008; Aktenzeichen 101 O 67/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13.8.2008 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 101 des LG Berlin - 101 O 67/07 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 84.649,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7.8.2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 93 % und die Beklagte 7 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird jeweils nachgelassen die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist ein im Schienenpersonenverkehrsunternehmen. Bei der Beklagten handelt es sich um ein nach den Vorschriften des Allgemeinen Eisenbahngesetzes zugelassenes öffentliches privates Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Die Klägerin hat auf der Grundlage eines mit der Beklagten geschlossenen Infrastrukturvertrages für den Fahrplan 2006 Infrastrukturleistungen entgegengenommen. Infolge von Bauarbeiten ist es auf den gebuchten Streckentrassen zu nicht unerheblichen Fahrplanabweichungen der von der Klägerin eingesetzten Züge gekommen. Die Klägerin hat die teilweise Rückzahlung der gezahlten Entgelte verlangt, weil die Beklagte ihrer vertraglichen Pflicht nicht nachgekommen sei, die pünktliche Durchführung der "Verkehre" zu gewährleisten.

Der Senat hat das die Klage abweisende Urteil des LG aus den nachstehend zusammengefassten tragenden Gründen überwiegend bestätigt.

 

Entscheidungsgründe

I. Wegen der erstinstanzlichen Feststellungen sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Die Klägerin rügt mit der Berufung im Wesentlichen allein angebliche Rechtsverletzungen des LG. Es sei insb. unzutreffend davon ausgegangen, dass der zwischen den Parteien zustande gekommene Infrastrukturvertrag nicht als Werkvertrag zu qualifizieren sei. Dabei habe es nicht beachtet, dass die Beklagte nicht die reine Nutzungsüberlassung, sondern daneben ein Bündel von Leistungen zu erbringen hatte. Ein wesentlicher Teil ihrer Betätigung liege in der Planung und Koordinierung der beantragten Zugtrassen im Rahmen des sog. Netzplanes. Auch die gesetzlichen Leistungspflichten gingen über die bloße Überlassung der Eisenbahninfrastruktur hinaus. Nach der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 2 EiBV habe ein Betreiber der Schienenwege Mindestleistungen zu erbringen. Darüber hinaus habe das LG die gesetzliche Definition der "Trasse" verkannt. Unzutreffend habe es angenommen, dass es sich

dabei um eine "Mietsache" handele. Wegen der zeitlichen Komponente, der insb. für den Taktverkehr wesentliche Bedeutung zukomme, könne von einer bloßen "Mietsache" aber keine Rede sein. Auch das Preissystem der Beklagten mache deutlich, dass es um die pünktliche Abwicklung der Verkehre im Sinne eines werkvertraglich geschuldeten Leistungserfolges gehe.

Unabhängig von der unzutreffenden Qualifizierung des Infrastrukturvertrages als Werkvertrag hätte das LG nach Ansicht der Klägerin der Klage jedenfalls auf der Grundlage bereicherungsrechtlicher Ansprüche stattgeben müssen. Es habe bei seiner Entscheidung nicht ausreichend gewürdigt, dass die Beklagte die für eine Takttrasse typischen Leistungen nicht erbracht habe. Insbesondere habe es unzutreffend gewürdigt, dass die Beklagte in ihren Schreiben vom 23.9.2005 eingeräumt habe, dass es bei der Abwicklung der durch die Bauarbeiten bedingten Störungen zu einer nac...

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